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Gescheitertes Assoziierungsabkommen EU-Verhandler geben Bundesregierung Mitschuld an Ukraine-Krise

Vor einem Jahr scheiterten die Verhandlungen über ein Assoziierungsabkommen zwischen EU und der Ukraine. Die beiden damaligen Verhandler sehen Versäumnisse bei der EU - insbesondere der Bundesregierung.
Frau in den Trümmern ihres Hauses im umkämpften Donezk:"Einige EU-Staaten waren nicht zum Signal bereit"

Frau in den Trümmern ihres Hauses im umkämpften Donezk:"Einige EU-Staaten waren nicht zum Signal bereit"

Foto: Alexander KHUDOTEPLY/ AFP

"Wenn wir unseren östlichen Partnern helfen wollen sich zu reformieren, sollten wir ihnen unser wirksamstes Transformationsinstrument anbieten - die Erweiterung", sagte der ehemalige EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle SPIEGEL ONLINE. Das sei "eine der Schlüsselpolitiken, für die die EU mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde".

Der Tscheche zieht ein Jahr nach dem Scheitern des Gipfels von Vilnius eine kritische Bilanz der europäischen Ukraine-Politik. Damals platzten die Verhandlungen über ein Assoziierungsabkommen der Europäischen Union mit der Ukraine. Es hatte eigentlich beim "Gipfel der Östlichen Partnerschaft" unterzeichnet werden sollen. Zur gleichen Zeit begannen die Demonstrationen am Maidan. Es war der Moment, der einen neuen Kalten Krieg zwischen Russland und dem Westen auslöste.

Zwar lag es an dem Druck des russischen Präsidenten Wladimir Putin, dass der damalige ukrainische Präsident Wiktor Janukowytsch das Abkommen nicht unterschrieb. Zu diesem Befund kommt eine Rekonstruktion der Ereignisse im aktuellen SPIEGEL.

"Das war unfair"

Doch auch die EU habe sich Versäumnisse zuschulden kommen lassen, sagt Füle, der vor einem Monat aus dem Amt schied. Im Juni 2013 habe er die EU-Außenminister vor dem Scheitern des Assoziierungsabkommens gewarnt. "Ich habe die Mitgliedstaaten gebeten, der Ukraine und den östlichen Partnern gegenüber ambitioniert zu sein." Die Ukrainer hätten immer wieder gesagt: "Die Reformen werden schmerzhaft sein und Zeit brauchen, deshalb brauchen wir Licht am Ende des Tunnels."

Man könne der Ukraine, aber auch Moldawien und Georgien, nicht einerseits sagen, dass ein Beitritt zur russischen Zollunion mit dem EU-Assoziierungsabkommen nicht kompatibel sei, ihnen gleichzeitig aber eine EU-Mitgliedschaft vorenthalten, kritisiert Füle. "Aber einige Mitgliedstaaten waren zu diesem Signal nicht bereit". Damit meint der frühere Kommissar auch die deutsche Bundesregierung.

Weil Deutschland und andere sich einer Beitrittsperspektive für die östlichen Partner verweigert hätten, sei faktisch ein neuer "Cordon Sanitaire", geschaffen worden, sagt Füle. So hieß der "Sicherheitspuffer", der nach dem Ersten Weltkrieg auf Betreiben Frankreichs zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion in Osteuropa errichtet wurde. "Wir haben ihnen faktisch gesagt: Tut uns leid für eure geografische Lage, aber ihr könnt weder nach Osten noch nach Westen gehen." Das sei "unerhört" und mache ihn "wirklich traurig", so Füle.


Animation: Wie der Krieg in die Ukraine kam

Alexander Epp/DER SPIEGEL


Ähnlich sieht es auch der ehemalige polnische Präsident Aleksander Kwasniewski, der eineinhalb Jahre den Strafprozess gegen die ehemalige ukrainische Premierministerin Julija Tymoschenko beobachtete. Es sei ein Fehler gewesen, dass der Ukraine in den Verhandlungen über das Freihandelsabkommen nie ein EU-Beitritt in Aussicht gestellt worden sei. "Das war unfair", sagte Kwasniewski SPIEGEL ONLINE. "Wenn man den Assoziierungsprozess startet, muss man sagen, dass es am Ende dieses Prozesses möglich ist, die Mitgliedschaft zu erreichen."

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