Ein Feldzug, der das wenige bedroht, was gut ist

Erdogans Kampf gegen syrische Kurden ist falsch, denn diese haben mit Unterstützung der USA den IS bekämpft. Die Kurden dem Zusammenhalt des Militärbündnisses zu opfern, ist fatal für den Westen.
Je länger Kriege dauern, desto zeitloser erscheinen sie. Weil sie die jeweils umgebenden Konfliktherde entzünden, welche dann wiederum den Krieg im Zentrum mit neuer Nahrung versorgen. Die Grenze dieser Wechselwirkung verläuft dort, wo die kurzfristigen Gewinnkalkulationen der Akteure auf die Erkenntnis prallen, dass die Kosten des Krieges für alle Beteiligten im Verlauf der Zeit unumkehrbar wachsen. Kurz: dort, wo Gier auf Logik stößt. Dieser Weg ist in Syrien noch sehr weit. Das zeigt die türkische Intervention gegen die syrischen Kurden so deutlich, dass es schmerzt.
Natürlich hat die türkische Regierung recht, wenn sie darauf hinweist, dass die syrisch-kurdischen YPG-Einheiten mit der türkisch-kurdischen Arbeiterpartei PKK verbündet sind, die auch in Deutschland mit gutem Grund als Terrororganisation gilt. Doch seit dem Referendum zum türkischen Präsidialsystem hat sie keine Anschläge mehr in der Türkei begangen.
Die kurdische YPG ist in Syrien ein Stabilitätsfaktor. Sie war eine entscheidende Kraft beim Sieg über die Terrormiliz IS. Sie hat in Nordsyrien ein Gemeinwesen geschaffen, in dem sie mit verbündeten Christen und sunnitischen Arabern wohl so demokratisch regiert, wie das in einem Bürgerkrieg möglich ist.
Die türkische Offensive gegen die YPG kann neue Anschläge auf türkische Zivilisten auslösen. Dieser Feldzug schafft keine Sicherheit in der Türkei, aber er ist ein Angriff auf das Wenige, das gut ist in Syrien.
Die USA unterstützen die YPG seit Jahren, wenn auch mit wechselnder Leidenschaft. Washington hat die Türkei vor dem Angriff gewarnt. Aber kann der Westen wirklich nicht mehr tun? Richtig: Die Türkei ist ein eminent wichtiger Nato-Partner. Aber Zweck der Allianz ist die Förderung von Sicherheit, nicht die Lizenzierung von Instabilität.
Wenn die westlichen Demokratien die Kurden wieder einmal ihrer Bündnis-Arithmetik opfern, dann werden die Kosten historisch sein. Dann wird ein staatenloses Volk, das sowohl für Terror als auch für Demokratie zu kämpfen gelernt hat, ausweglos in die falsche Richtung gedrängt.