Radikale Islamisten :
Der Salafismus wird immer weiblicher

Von Reiner Burger, Düsseldorf
Lesezeit: 2 Min.
Weibliche Gefahr: Salafistische Frauen bilden inzwischen wichtige Netzwerke.
Frauen füllen mittlerweile die Lücken, die ihre inhaftierten Männer hinterlassen. Der Verfassungsschutz beobachtet weibliche Führungspersonen mit hunderten Facebook-Followern.

Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz sieht die Gefahr, dass in Deutschland salafistische Parallelgesellschaften entstehen. Der Grund dafür sei, dass der Salafismus immer weiblicher werde, sagte Burkhard Freier, der Leiter des NRW-Verfassungsschutzes, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (Mittwochsausgabe). Weil viele charismatische Führungspersonen der salafistischen Szene im Zuge des konsequenten strafrechtlichen Vorgehens in Haft säßen, füllten Frauen die Lücken. „Wir haben in Nordrhein-Westfalen ein sogenanntes Schwesternetzwerk mit 40 Frauen im Blick.“ Diese weiblichen Führungspersonen, von denen manche mehrere hundert Facebook-Follower habe, seien in der Szene mittlerweile akzeptiert. „Die Männer haben gemerkt, dass Frauen viel besser netzwerken können und deshalb viel stärker in der Lage sind, die Szene zu binden und am Leben zu halten.“

Die 40 „Schwestern“ hätten ein komplettes salafistisches Programm im Angebot – von der Kindererziehung über das Kochen und die Interpretation von Religionsvorschriften bis zur Hetze gegen „Nichtgläubige“. Das Salafistinnen-Netzwerk werbe und missioniere aggressiv im Netz. „Die Frauen sind mittlerweile Ideologieproduzentinnen“, sagte Freier. Hinzu komme, dass die Frauen ihre eigenen Kinder von früh an indoktrinieren. „Dadurch wird der Salafismus zu einer Familienangelegenheit, es beginnt etwas zu entstehen, was sehr viel schwerer aufzulösen ist, nämlich salafistische Gesellschaftsteile.“

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Die deutschen Sicherheitsbehörden seien in den vergangenen Jahren mit repressiven Maßnahmen wie etwa dem Verbot der Koran-Verteilaktion „Lies!“ sehr erfolgreich gegen die Szene vorgegangen. Doch eben dadurch finde nun immer mehr in Hinterhöfen oder Wohnzimmern statt. Zugleich radikalisiere sich die Szene weiter. „Es gibt eine immer größere Zahl von minderjährigen Salafisten, die über Gewalt phantasieren“, sagte Freier. Durch die militärische Niederlage des „Islamischen Staates“ habe sich der Salafismus zum Inlandsextremismus entwickelt. Die Zahl der Ausreisen nach Syrien und in den Irak tendiere schon seit einem Jahr gegen null, dafür nehme die Zahl der Rückkehrer zu. Unter ihnen seien zunehmend Frauen.