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Muslimische Lebenswelten in Bayern heute: Studie „Islam in Bayern“ präsentiert Ergebnisse

Nur eine „Kultur der Anerkennung“ von Musliminnen und Muslimen kann gesellschaftlicher Spaltung entgegenwirken – dies ist ein wichtiges Fazit der Forschenden. Am 18. Juli präsentierten Mathias Rohe und sein Team die Studie „Islam in Bayern“, die von 2015 bis 2018 im Auftrag der Bayerischen Akademie der Wissenschaften entstand. Die Studie untersucht muslimische Lebenswelten in Bayern und soll gezielt der Politikberatung in Bayern dienen.

Die von der Bayerischen Akademie der Wissenschaften auf Anregung des damaligen Wissenschaftsministers Dr. Ludwig Spaenle in Auftrag gegebene Studie „Islam in Bayern“ entstand am Erlanger Zentrum für Islam und Recht in Europa (EZIRE) der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU). Das Themenspektrum reicht vom islamischen Unterricht bis zur Gefangenenseelsorge, von der Kooperation zwischen Staat und Verbänden bis zu Salafismus und Islamfeindlichkeit. Als erste derart breit angelegte Studie zu muslimischem Leben in einem deutschen Flächenland besitzt sie nicht nur wissenschaftliche, sondern auch besondere politische Bedeutung. Ergebnis der Studie ist ein Policy Paper, das am 18. Juli in der Akademie vorgestellt wurde. Das Policy Paper steht hier zum Download zur Verfügung. (PDF)

Zentrale Ergebnisse sind: 

  • Der islamische Religionsunterricht ist ein zentraler Baustein für eine „Kultur der Anerkennung“ und gleichzeitig ein wichtiges Instrument gegen Radikalisierung. 
  • Flüchtlinge haben weit weniger enge Beziehungen zu Moscheegemeinden als angenommen: In erster Linie sind sie mit der Bewältigung von Alltagsproblemen beschäftigt.
  • Die Erfahrung neuer Rollenbilder verändert vor allem die Frauen. 
  • In Bayern gibt es keine „Paralleljustiz“ mit „Scharia-Gerichten“ – wohl aber Fälle, in denen traditionelle Formen der Streitschlichtung praktiziert werden. Um solche Konflikte besser aufzufangen, werden dringend mehr Sozialarbeiter mit muslimischem Hintergrund benötigt.
  • Salafisten und Islamfeinde polarisieren mit einer aggressiven Rhetorik, sie schaukeln sich mit Hassparolen gegenseitig hoch und bedrohen den gesellschaftlichen Zusammenhalt im Freistaat. Hierzu sagt Projektleiter Mathias Rohe: „Es darf kein Othering geben, das die Gesellschaft in ein Wir und die Muslime einteilt. Es muss faire Zugangschancen für jeden geben.“ Nur eine „Kultur der Anerkennung“ von Muslimen könne gesellschaftlicher Spaltung entgegenwirken.

Eine Zusammenfassung der Studie finden Sie hier im Artikel „Längst angekommen“ im Themenheft „Islam in Bayern“ der Zeitschrift Akademie Aktuell (Autorin: Claudia Mende). Zur gesamten Ausgabe.

Das Vorhaben wurde betreut von der Ad-hoc-Arbeitsgruppe „Weltreligionen – Islam in Bayern“ der Akademie. Hauptfokus der Untersuchung war die Frage, wie es um die Chancen von Musliminnen und Muslimen auf eine gleichberechtigte Teilhabe in der Gesellschaft steht. Wissenschaftler des EZIRE sprachen dazu unter anderem mit Imamen, Lehrkräften, Gerichtsvollziehern, Polizeipräsidenten, Flüchtlingen, Salafisten und Islamhassern. Finanziert wurde das Vorhaben vom damaligen Bayerischen Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst.

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