WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Regionales
  3. Hamburg
  4. Verfassungsschutzchef Albrecht: Zahl der Salafisten in Schleswig-Holstein steigt

Hamburg Verfassungsschutzchef Albrecht

Zahl der Salafisten in Schleswig-Holstein steigt

Verfassungsschutzchef Albrecht Verfassungsschutzchef Albrecht
Joachim Albrecht, kommissarischer Leiter des Verfassungsschutzes in Schleswig-Holstein
Quelle: dpa/Carsten Rehder
Missionierung, mehr Mitarbeiter und mehr Hinweise aus einer bestimmten Bevölkerungsgruppe: Schleswig-Holsteins Verfassungsschutzchef hat mehrere Erklärungen für die wachsende Zahl von Salafisten.

Das Wachstum der salafistischen Szene in Schleswig-Holstein betrachtet der kommissarische Verfassungsschutzchef Joachim Albrecht mit großer Sorge. „Die Zahl der Salafisten hat im Norden im vergangenen Jahr deutlich zugenommen“, sagte Albrecht. „Wir müssen uns mit dieser Szene weiter intensiv auseinandersetzen.“

Die Verfassungsschützer rechnen mittlerweile deutlich mehr als 500 Personen zu der ultrakonservativen islamischen Strömung. Schwerpunkt sei neben Flensburg, Neumünster, Kiel und Lübeck der Hamburger Rand. Die konkreten Zahlen will Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) im Frühjahr mit dem Verfassungsschutzbericht vorstellen.

Auch Zahl der dschihadistischen Salafisten steigt

Sogenannte Hassprediger stehen dabei weniger im Fokus der Verfassungsschützer zwischen Nord- und Ostsee. „Wir haben keine Moscheen, in denen Freitag für Freitag derartige Predigten festzustellen sind“, sagte Albrecht. Das Thema Hasspredigten sei weniger ausgeprägt als in anderen Regionen des Landes. Salafistisch geprägte Moscheen gebe es dagegen. „Das muss nicht unbedingt ungefährlicher sein“, sagte der 61-Jährige. „Da kann man sagen: Steter Tropfen höhlt den Stein.“

Schwerpunkte der Szene wechseln. Die teilweise kleinen Gruppen hätten eine unterschiedliche Fokussierung. „Wir beobachten je nach Einflussnahme auch ein gewisses Charisma, das einzelne Personen ausstrahlen und damit insbesondere Jugendliche an sich binden“, sagte Albrecht. Bei dem Großteil handele es sich um Heranwachsende, die empfänglich für Botschaften der Prediger seien. „Es gibt gerade im Salafismus erhebliche Missionierungsbemühungen.“ Das gebe es zwar auch bei Rechts- und Linksextremisten. „Im Salafismus ist es jedoch ganz besonders ausgeprägt.“

Lesen Sie auch

Die Verfassungsschützer beobachten auch Szenemitglieder, die bereit zur Anwendung von Gewalt sind. „Die Zahl der dschihadistischen Salafisten, die wir im Blick haben, liegt im oberen zweistelligen Bereich – Tendenz steigend“, sagte Albrecht. Das habe mehrere Gründe. „Wir sind als Verfassungsschutz in den vergangenen Jahren – was die Beobachtung betrifft – personell besser aufgestellt worden.“ Insgesamt gehörten der Behörde rund 130 Mitarbeiter an. „Wir schauen seit einigen Jahren genauer hin.“

Rolle von Flüchtlingen

Einen anderen Grund für den Anstieg sieht der Experte in der Flüchtlingsproblematik. „Es gibt auch gewaltbereite Salafisten, die tatsächlich durch die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) nach Deutschland geschickt worden sind.“ Eine Rolle spiele auch eine Sensibilisierung in sämtlichen gesellschaftlichen Bereichen. „Die Sicherheitsbehörden haben in den vergangenen Jahren Hinweise im dreistelligen Bereich zum Thema gewaltbereite Salafisten erhalten“, sagte der kommissarische Verfassungsschutzchef. „Dazu gehören natürlich auch Flüchtlinge.“

Ein anderer Bereich sind IS-Rückkehrer aus Bürgerkriegsgebieten. Die hielten sich im Norden zurück, es gebe keine Erkenntnisse über Rekrutierungsversuche, sagte Albrecht. Er spricht von einer Findungsphase. „Wir haben Hinweise darauf, dass der eine oder andere überhaupt nicht wusste, was in Syrien auf ihn zukommt.“

Andere sind mittlerweile entweder tot oder halten sich noch in Syrien auf. „Wir gehen davon aus, dass sich die Hälfte – etwa 15 Personen – noch immer dort befindet“, sagte Albrecht. Einige säßen in Lagern, weil ihnen Straftaten vorgeworfen werden.

Zurückhaltend gab sich Albrecht in Bezug auf Forderungen seines Hamburger Amtskollegen Torsten Voß, der sich für einen technischen Zugriff der Sicherheitsbehörden im Zusammenhang mit dem neuen Mobilfunkstandard 5G ausgesprochen hat. Den Einsatz von Staatstrojanern auf Smartphone oder Notebook habe die Koalition in Schleswig-Holstein in der Vergangenheit nicht gewollt, sagte Albrecht. „Eine Überwachung muss aber auch künftig in dem bisher möglichen Maße erlaubt sein.“

Albrecht geht davon aus, dass dies vom Grundsatz her politisch nicht infrage gestellt wird: „Auf welchem Weg das gewährleistet wird, ist den Parlamentariern überlassen.“

dpa

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema