Das Gesetzesvorhaben, auf das sich Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) geeinigt haben, klingt denkbar simpel: "Ein Deutscher, der (…)  für eine Terrormiliz an Kampfhandlungen im Ausland teilnimmt, verliert die deutsche Staatsangehörigkeit, es sei denn, er würde sonst staatenlos." Diese Bestimmung soll nach dem Willen der großen Koalition demnächst den Paragrafen 28 des Staatsangehörigkeitsgesetz (die bisherige Fassung finden Sie hier) ergänzen. So jedenfalls steht es im Referentenentwurf des Bundesinnenministeriums, der ZEIT ONLINE vorliegt und der derzeit zwischen den Ressorts abgestimmt wird.

Das Ziel ist klar: Wer sich aus Deutschland verabschiedet hat, um sich einer Terrororganisation anzuschließen, soll nach Möglichkeit nicht wieder zurückkehren können. Das Gesetz würde allerdings nur für zukünftige Fälle gelten; die aktuell in Syrien und im Irak inhaftierten mutmaßlichen Mitglieder und Anhänger des sogenannten "Islamischen Staates" (IS) wären nicht betroffen. Unter ihnen sind über 100 deutsche Staatsbürger und eine unbekannte Zahl Doppelstaatler.

Es sei "ein Signal, dass nun über Strafbarkeitsregelungen hinaus der Verlust der Staatsangehörigkeit droht, wenn man sich einer Terrormiliz anschließt", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Die Neuregelung solle "präventive Wirkung" entfalten, ergänzte eine Sprecherin des Innenministeriums.

Was ist eine Terrormiliz und was nicht?

Doch ganz so simpel, wie er auf den ersten Blick klingt, ist der Gesetzesentwurf nicht. So ist zum Beispiel nicht klar, was geschieht, wenn der zweite Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Betroffene hat, ihm diese ebenfalls aberkennt. Nach deutschem Recht ist die Entlassung in die Staatenlosigkeit nicht möglich.

Darüber hinaus definiert der Referentenentwurf eine Terrormiliz als "paramilitärisch organisierten bewaffneten Verband, der das Ziel verfolgt, in völkerrechtswidriger Weise die Strukturen eines ausländischen Staates gewaltsam zu beseitigen und an deren Stelle neue staatliche oder staatsähnliche Strukturen zu errichten". Diese Formulierung ist passgenau auf den IS zugeschnitten, der 2014 in Teilen Syriens und des Irak einen Staat, das sogenannte Kalifat, ausgerufen hatte. Auf das Terrornetzwerk Al-Kaida oder die Terrormiliz Al-Shabaab in Somalia zum Beispiel, denen sich ebenfalls deutsche Staatsbürger angeschlossen haben, passt sie dagegen weniger gut. Dem Vernehmen nach soll das Bundesinnenministerium künftig dafür verantwortlich sein, einen Katalog an "Terrormilizen" vorzuhalten, an dem die Landesbehörden sich orientieren müssten, um die Einheitlichkeit der Entscheidungen in den Ländern sicherzustellen.

Dem Referentenentwurf zufolge liefe die Aberkennung der Staatsbürgerschaft so ab, dass die oberste Landesbehörde oder eine von ihr bestimmte Behörde feststellt, dass die entsprechenden Bedingungen erfüllt sind. Der Verlust der Staatsbürgerschaft würde dann automatisch eintreten. Es gebe dabei keinen Ermessensspielraum und keine Einzelfallprüfung, heißt es aus dem Bundesinnenministerium.

Das würde bedeuten, dass es für die Entscheidung keine Rolle spielen soll, ob der Staat, dessen Staatsbürgerschaft dem Betroffenen dann noch bleibt, ein Unrechtsstaat ist, der Terrorverdächtige foltert oder verurteilte Terroristen hinrichtet. Immerhin soll es für die Betroffenen wohl die Möglichkeit geben, gegen den Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft zu klagen, heißt es in Regierungskreisen.

"Politik gewordenes Sankt-Flo­ri­ans-Prin­zip"

Experten beurteilen das Gesetzesvorhaben skeptisch. "Für mich ist es das Politik gewordene Sankt-Flo­ri­ans-Prin­zip", sagte der in London forschende Terrorexperte Peter Neumann ZEIT ONLINE. "Wenn eine in Deutschland geborene Person, die die deutsche Staatsbürgerschaft hat, sich in Deutschland radikalisiert, ist sie ein deutsches Problem, auch wenn es vielleicht eine zweite Staatsbürgerschaft gibt. Meiner Meinung nach ist es falsch, dieses Problem einem anderen Land in die Schuhe zu schieben."

Abgesehen davon seien die juristischen Hürden verständlicherweise sehr hoch, es würde sich also auch in Zukunft eher um ein Ausnahmeinstrument handeln. "Wer so tut, als würde sich so das Rückkehrerproblem lösen lassen, macht den Leuten etwas vor", sagte Neumann, einer der renommiertesten Radikalisierungsforscher weltweit.