Terrormiliz IS:Deutsche Geheimdienste halten al-Baghdadi-Video für echt

Terrormiliz IS: "Deutlich gealtert" wirke der IS-Anführer Abu Bakr al-Baghdadi, heißt es in dem vertraulichen Auswertebericht von BKA und BND. Seinen Bart hat er anscheinend mit Henna gefärbt.

"Deutlich gealtert" wirke der IS-Anführer Abu Bakr al-Baghdadi, heißt es in dem vertraulichen Auswertebericht von BKA und BND. Seinen Bart hat er anscheinend mit Henna gefärbt.

(Foto: AP)
  • Zum ersten Mal seit 2014 zeigt sich der IS-Anführer Abu Bakr al-Baghdadi in einem Video seinen Anhängern.
  • Darin erklärt er die Terroranschläge am Ostersonntag auf Sri Lanka zur Vergeltungstat für die IS-Niederlage in al-Baghuz im Osten Syriens.
  • Die deutschen Geheimdienste stufen das Video nach Erkenntnissen von Süddeutscher Zeitung, NDR und SWR als authentisch ein.

Von Florian Flade und Georg Mascolo, Berlin

Der selbsternannte Kalif sitzt auf dem Boden, neben ihm lehnt ein Sturmgewehr an der Wand. Es ist eine Kalaschnikow mit kurzem Lauf, die Lieblingswaffe aller Islamistenführer. Der Mann spricht in ruhigem Ton, der "Kampf des Islam und seiner Anhänger gegen die Anhänger des Kreuzes" werde lange dauern, sagt er. "Unser Kampf heute ist ein Zermürbungskrieg." Und der Dschihad werde "bis zum jüngsten Tag geführt".

Am frühen Montagabend hat die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) ein 18 Minuten und 22 Sekunden langes Propagandavideo über einschlägige Internetkanäle veröffentlicht. Es zeigt ihren Anführer, den Iraker Ibrahim Awad Ibrahim al-Badri, besser bekannt unter seinem Kampfnamen Abu Bakr al-Baghdadi. Erstmals seit dem Juli 2014 zeigt sich der 47-Jährige, ein Doktor der Theologie, wieder seinen Anhängern weltweit. Aus Sorge vor Entdeckung hatte er - anders als etwa der inzwischen getötete Al-Qaida-Führer Osama bin Laden - auf regelmäßige Videobotschaften verzichtet.

Deutsche Sicherheitsbehörden halten das Video nach Recherchen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR für authentisch. Das geht aus einem Auswertebericht des Gemeinsamen Internetzentrums (GIZ) hervor, in dem Experten aus Bundeskriminalamt (BKA), Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und Bundesnachrichtendienst (BND) aktuelle islamistische Propaganda analysieren. "Inhalt und Verbreitungswege lassen auf die Authentizität des Videos schließen", heißt es in dem Bericht ("Verschlusssache - Nur für den Dienstgebrauch"), der von BND und BKA erstellt wurde. Baghdadi wirke im Vergleich zu 2014 "deutlich gealtert, aber in guter körperlicher Verfassung". Er spreche auffallend langsam. Sein Bart soll mit Henna gefärbt worden sein, wie es angeblich bereits der Religionsstifter Mohammed tat.

"Das Video gibt keine Hinweise auf den Aufenthaltsort Al-Baghdadis", so das Fazit der Analyse durch die deutschen Sicherheitsbehörden. Hauptanliegen des Videos sei es, "aktuelle Ereignisse zu kommentieren, ein Lebenszeichen des IS-Anführers zu senden, den IS als handlungsfähigen ,Staat' mit überregionalem Einfluss zu präsentieren und den Verlust seiner Territorien in Irak und Syrien zu relativieren". Das Kalifat sollte eigentlich 1000 Jahre existieren. Warum es nun schon wieder verschwunden ist, muss selbst den verbohrtesten Anhängern erklärt werden. Einerseits also kann man die Bilder durchaus als Zeichen der Beunruhigung in der Führung des IS werten. Andererseits fühlt sich Baghdadi aber auch sicher genug, ein solches Video zu verbreiten.

Videobotschaft wurde womöglich nachträglich bearbeitet

Der IS versuche mit der Videobotschaft seines Anführers propagandistisch "seine Niederlage in al-Baghuz" zu kompensieren, heißt es in der Analyse. Gemeint ist die letzte IS-Hochburg in Ostsyrien, die kürzlich durch kurdische Kampfverbände eingenommen wurde. Mehr als 90 Terroranschläge weltweit würden als vermeintlicher "Rachefeldzug" präsentiert. Zudem lobe Baghdadi die "Standhaftigkeit" von IS-Kämpfern in Regionen außerhalb von Syrien und dem Irak, etwa in Libyen. Der IS-Chef gehe auf "zahlreiche aktuelle Ereignisse" ein, etwa die Parlamentswahl in Israel, die Machtwechsel im Sudan und Algerien sowie die Terroranschläge in Sri Lanka auf katholische Kirchen und Hotels am 21. April. Wobei die Videobotschaft nachträglich bearbeitet worden sein könnte, um aktueller zu wirken.

"Die Kommentierung der Anschläge von Sri Lanka erfolgt über eine möglicherweise in das Video eingefügte Audiosequenz", so heißt es im Bericht der Sicherheitsbehörden. Sofern dies der Fall sei, lasse sich das Propagandavideo auf eine Zeit zwischen dem 11. April 2019 (Sturz des sudanesischen Diktators Omar al-Baschir) und dem 21. April 2019 (Anschläge in Sri Lanka) einordnen. Auffällig sei, dass Al-Baghdadi weder den rechtsextremistischen Terroranschlag von Christchurch, noch den bevorstehenden Fastenmonat Ramadan thematisiere.

Der IS-Anführer erwähne namentlich einige Dschihadisten, die bei Kämpfen um IS-Hochburgen im Irak, in Syrien und Libyen eine herausragende Rolle gespielt hätten und bei Luftangriffen oder Kämpfen ums Leben gekommen seien. Unter ihnen seien Männer aus Saudi-Arabien, Tschetschenien, aber auch Australien, Belgien und Frankreich. Durch die Nennung von "europäischen Angehörigen der Gruppierung", unterstreiche er den "Anspruch des IS, ein global-dschihadistischer Akteur" zu sein, so die Analyse. Die Deklaration von Tunesien und der Türkei zu Provinzen des IS könne zudem als "expansionistischer Anspruch" und "Drohung gegen diese Länder" aufgefasst werden.

Die USA haben auf den IS-Anführer ein Kopfgeld von 25 Millionen US-Dollar ausgesetzt. Sein genauer Aufenthaltsort ist bislang unbekannt. Westliche Geheimdienste vermuteten in der Vergangenheit, dass sich der Terrorchef meist im West-Irak an der Grenze zu Syrien aufhalten könnte.

Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels haben wie den Ort al-Baghuz fälschlicherweise im Nordwesten Syriens verortet. Richtig ist, dass der Ort am linken Euphrat-Ufer im Osten Syriens liegt.

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