Mit Salafismus verbinden viele Menschen in Deutschland Extremismus, Islamismus und Terrorismus. Weit weniger bekannt ist, dass es auch innerhalb der muslimischen Gemeinschaft eine kritische Auseinandersetzung mit dieser speziellen islamischen Gruppierung gibt. "Es gibt einen immensen Fundus an innermuslimischer Salafismuskritik", sagte Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) bei der Vorstellung einer neuen Studie zu diesem Thema am Donnerstag. "Der Salafismus wird dabei theologisch, islamrechtlich, historisch und soziologisch kritisiert."

Allerdings sei nicht jeder Kritiker zugleich ein "lupenreiner Demokrat". Denn: "Das Spektrum reicht von liberal-modernen bis zu ultrakonservativen Positionen." Letztlich zeige die von dem beim Bremer Landesamt für Verfassungsschutz beschäftigten Islamwissenschaftler Hazim Fouad erstellte Untersuchung erneut, wie vielfältig der Islam sei.

Mäurers Schlussfolgerung lautet deshalb: "Nicht 'der Islam' steht dem Westen feindlich gegenüber. Vielmehr stehen sowohl hier als auch in den islamischen Ländern demokratisch gesinnte Menschen, egal ob Muslime oder nicht, Extremisten gegenüber." Pauschalisierende Aussagen islamfeindlicher Akteure über den Islam könnten aber dazu führen, dass sich ein Teil der zu Unrecht angegriffenen Muslime in Parallelgesellschaften oder gar in den Extremismus drängen ließen.

0,2 Prozent der Muslime

Der Anteil der Salafisten an allen Muslimen wird in Deutschland auf 0,2 Prozent geschätzt. Im März 2019 wurden 11.500 Personen dieser Gruppe zugerechnet, bei etwa 4,5 Millionen Muslimen in Deutschland. Kennzeichnend für diese Bewegung ist, dass Salafisten den Koran in einer sehr fundamentalistischen Weise auslegen. Ihr Idealbild ist ein Islam, wie er zu Zeiten des Propheten Mohammed vermeintlich gelebt und verstanden wurde.

Alle, die ihr Islamverständnis nicht teilen, sind in den Augen von Salafisten keine echten Muslime. Ein Teil der Salafisten, die Dschihadisten, sind zudem bereit, ihr Weltbild mit Gewalt durchzusetzen. "Fast ausnahmslos alle Personen mit Deutschlandbezug, die sich dem Dschihad angeschlossen haben, standen zuvor mit der salafistischen Szene in Kontakt", heißt es auf der Website des Bundesverfassungsschutzes. Hinzu kommt: Salafisten sind laut Verfassungsschutz die am schnellsten wachsende islamistische Gruppierung in Deutschland, auch wenn ihre Missionierungsversuche wegen staatlicher Repressionen zuletzt weniger in der Öffentlichkeit stattfanden.

Für den Islamwissenschaftler Fouad war Ausgangspunkt seiner Untersuchung, dass er bei Vorträgen immer wieder gefragt wurde, wieso Muslime und Musliminnen nichts gegen die Extremisten in ihren Reihen unternehmen. Er habe zeigen wollen, dass das nicht stimme, so Fouad in einem Interview mit Ufuq, eine Bildungseinrichtung, die speziell zu den Themen Islam, Islamfeindlichkeit und Islamismus arbeitet.

Drei Stoßrichtungen der Kritik

Fouad unterscheidet drei Richtungen, aus denen der Salafismus von islamischer Seite kritisiert wird: Traditionalistische Muslime aus dem arabischen Raum, Sufis – eine mystische Richtung innerhalb des Islam, die auch in Deutschland präsent ist – und sogenannte Modernisten, die vor allem im universitären Umfeld in westlichen Staaten aktiv sind. Die Argumente seien sehr verschieden. Traditionalisten argumentierten theologisch. Sie kritisierten die wortwörtliche Deutung bestimmter Koranstellen aber auch die kontextlose Interpretation verschiedener Hadithe (Aussprüche und Handlungen von Mohammed). Sie werfen den Salafisten handwerkliche und methodische Fehler sowie eine obskure Rechtsauffassung vor, die den Muslimen das Leben erschwere statt es zu erleichtern, was eigentlich eines der Ziele des Islams für die Gläubigen sei.