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Kryptowährungen und ihre Bedeutung im Finanzsystem

Moritz Hütten

/ 12 Minuten zu lesen

Kryptowährungen sind angetreten, das Finanzsystem zu revolutionieren, (Zentral-)Banken überflüssig zu machen. Doch ist ihr technisches Potenzial begrenzt, ihr finanzieller Nutzen zweifelhaft. Was bleibt abseits der Technikeuphorie?

Innovativ zu sein und innovativ zu agieren, ist heute ein Imperativ in allen Wirtschaftsbereichen, insbesondere auch im Finanzsystem. Prozesse sollen kostengünstiger, effizienter, aber auch flexibler, Produkte dynamischer, zugänglicher und individueller werden. Dazu sollen neue Zieldimensionen erreicht werden, die lange vernachlässigt wurden, wie die ökologische und soziale Nachhaltigkeit.

Große Hoffnungen für die Neugestaltung des Finanzsystems ruhen heute auf den unterstellten Potenzialen der Digitalisierung und spekulativer Digitaltechnologien. Fortschritte in der Entwicklung von Informations- und Kommunikationstechnologien haben schon in den vergangenen Jahrzehnten das Finanzsystem entscheidend geprägt. Die Entstehung des modernen Finanzsystems wäre ohne sie undenkbar. Die Aktivitäten des Finanzsystems werden heute von sehr unterschiedlichen Technologien geprägt: Das Repertoire reicht von mondänen Technologien wie der E-Mail bis zum Hightech-Wettrüsten des Hochfrequenzhandels; von jahrzehntealten Mainframes bis zu modernen Userinterfaces im Onlinebanking.

Eine spekulative Digitaltechnologie, die sich im vergangenen Jahrzehnt entwickelt hat und ursprünglich Banken und andere Finanzintermediäre überflüssig machen sollte, sind Kryptowährungen. Sie kamen 2008 mit der ersten Anwendung Bitcoin auf. Seitdem wurden Tausende weitere Versionen in Umlauf gebraucht. Es handelt sich um alternative digitale Gelder, die nicht von Banken oder Zentralbanken verwaltet werden, sondern von einem Netzwerk global verteilter Computer. Sie verdanken ihren Namen der Nutzung von kryptografischen Technologien. Kryptografie ist die Wissenschaft vom Ver- und Entschlüsseln von Informationen. Im Falle von Kryptowährungen werden kryptografische Technologien eingesetzt, um die Schöpfung, Knappheit und Versendung von digitalen Geldern zuverlässig abzusichern.

Im Kern bauen Kryptowährungen auf dem Misstrauen gegenüber Banken, Zentralbanken und vor allem gegenüber dem Staat auf. Der oder die Erfinder der ersten Kryptowährung Bitcoin waren der Ansicht, dass die einzige Möglichkeit, zu verhindern, dass jemand die Kontrolle über das Geldsystem missbraucht, ist, niemandem die Kontrolle zu überlassen. Anstatt die Kontrolle über die digitale Buchführung einer zentralen Instanz wie einer Bank zu überlassen, ist sie bei Kryptowährungen wettbewerblich organisiert. Global verteilte Computer (vermehrt auch große Rechenzentren) konkurrieren darum, durch die Lösung eines kryptografischen Puzzles die nächste "Seite" der gemeinsamen Buchführung schreiben zu dürfen. Anstatt von Seiten spricht man bei Kryptowährungen von "Blöcken" von Transaktionen, die durch die Lösung des kryptografischen Puzzles so miteinander verkettet sind, dass sie sich rückwirkend kaum manipulieren lassen. Als Anreiz für die Erbringung der Rechenleistung erhält derjenige, der das rechenintensive Puzzle zuerst löst, eine Belohnung in der Währung des jeweiligen Netzwerks, die heute auf Onlinebörsen leicht gegen Tausende von Dollar oder Euro eingetauscht werden kann. Zwar ist der Wert von Kryptowährungen nicht durch Staaten garantiert, der rege Onlinehandel hat jedoch trotzdem (oft stark schwankende) Wechselkurse in bestehende Währungen etabliert.

(© Google Finanzen)

Entgegen ihrem ursprünglichen Ziel erfreuen sich Kryptowährungen bei Finanzinstituten wachsender Beliebtheit. Selbst Zentralbanken, deren Macht Bitcoin ursprünglich in Frage gestellt hat, setzen sich heute mit ähnlichen Anwendungen in Form digitaler Zentralbankwährungen (CBDCs) auseinander. Abseits der Rolle als Technikinnovation haben Kryptowährungen auch immer wieder mit Spekulationswellen und enormen Kurssprüngen auf sich aufmerksam gemacht, weshalb einige Beobachter*innen eher den Vergleich zu den großen Finanzmarktmanien der Vergangenheit ziehen. Wie sind Kryptowährungen entlang dieser widersprüchlichen Wahrnehmung einzuordnen?

Um diese Frage zu beantworten, ist es sinnvoll, einen Schritt zurückzutreten und eine wichtige Unterscheidung einzuführen. In einem Blogpost hat der Software-Engineer Stephen Diehl zur Euphorie um Kryptowährungen bemerkt, dass diese eher von der Finanzbranche ausgeht, während viele Software-Spezialist*innen eher frustriert und enttäuscht sind. Er beschreibt die zugrundeliegende Technologie als kaum funktional. Gleichzeitig wechseln heutzutage Milliardenbeträge in Kryptowährungen den/die Besitzer*in. Es gilt also, zwischen zwei Ebenen zu trennen und Kryptowährungen einmal als Technikinnovation und einmal als Finanzinnovation zu diskutieren. Auch wenn beide Begriffe ähnlich erscheinen, sind sie doch verschieden. Warum halten einerseits manche Menschen Kryptowährungen als Technik für innovativ – und manche nicht? Was macht andererseits Kryptowährungen als Finanzprodukt attraktiv – und welche Implikationen ergeben sich aus der Antwort auf diese Frage?

Kryptowährungen als Technikinnovation

Im technischen Kern geht es um ein Koordinationsproblem in einer verteilten Netzwerkstruktur. Obwohl es heute viele verschiedene Kryptowährungen gibt, lässt sich deren Grundprinzip am besten anhand des Bitcoin erklären. Bitcoin wurde 2008 in einem Whitepaper von einem Autor oder einer Gruppe unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto vorgestellt. Der erste Satz formuliert das ambitionierte Ziel für Bitcoin: "A purely peer-to-peer version of electronic cash would allow online payments to be sent directly from one party to another without going through a financial institution."

Bitcoin soll also ermöglichen, dass sich zwei Personen eine Form elektronischen Geldes direkt schicken können, ohne eine Finanzinstitution zwischenzuschalten. Wer heute eine Überweisung tätigt, tut dies nicht direkt, sondern erteilt einer Bank den Auftrag, einen Betrag von einem Konto auf ein anderes zu buchen. Die Rechte von Kund*innen sind zwar vertraglich geregelt, technisch handelt es sich aber um ein hierarchisches Verhältnis, bei dem die Kontrolle bei der Finanzinstitution verbleibt. Der direkte Peer-to-Peer-Ansatz soll die Finanzinstitution aus dem Prozess ausgliedern, was man als "Disintermediation" bezeichnet. "Peer-to-Peer" meint dabei ein Netzwerk von Computer-Verbindungen, bei denen die beteiligten Rechner einander mehr oder minder gleichgestellt sind.

Double-Spending

Jedes digitale Geldsystem muss mit zwei widersprüchlichen Medien umgehen. Das Geldmedium, etwa eine Silbermünze, ist knapp, das Digitale dagegen kann beliebig oft verlustfrei kopiert werden. Im Buchungssystem der Banken wird das Problem hierarchisch gelöst, weil Regeln asymmetrisch durchgesetzt werden können. Wie soll ein Netzwerk aus gleichberechtigten Computern jedoch verhindern, dass Geldbeträge mehrfach ausgegeben werden?

Die Lösung dieses "Double-Spending"-Problems ist der eigentliche technisch-innovative Beitrag von Bitcoin. Nakamoto beschreibt diese Lösung als "timestamp[ing] transactions by hashing them into an ongoing chain of hash-based proof-of-work". Das bedeutet, dass Computer einen rechenintensiven Arbeitsnachweis erbringen, durch den sie dem Netzwerk bestätigen, zu welchem Zeitpunkt eine Transaktion aufgegeben wurde. Wenn die Reihenfolge der Transaktionen bekannt ist, lässt sich leicht überprüfen, ob der zu sendende Betrag noch vorhanden ist.

Der Arbeitsnachweis, im Englischen "Proof-of-Work" (PoW) genannt, beschreibt das Verfahren, dass Bitcoin zuverlässig und sicher macht, weil es eine Einigung über die zeitliche Reihenfolge von Transaktion trotz verteiltem Netzwerk erzielt, ist jedoch auch für den astronomischen Energieverbrauch von Bitcoin verantwortlich. PoW ist zugleich ein Konsensmechanismus, weil es dem gesamten Netzwerk erlaubt, eine Einigung über den aktuellen Stand der gemeinsamen Buchführung zu erzielen.

Beim PoW kommen zwei Eigenschaften zusammen: erstens lässt er sich kaum fälschen, weil das gesuchte Muster nur durch intensive Rechenarbeit gefunden werden kann; zweitens können andere Netzwerkteilnehmer*innen weit weniger aufwendig prüfen, ob die Lösung stimmt. Im Ergebnis sorgt das Verfahren dafür, dass der/die Erbringer*in der richtigen Lösung einmalig zum Schreiben der nächsten Seite der gemeinsamen Buchführung berechtigt wird, weil er sich durch den nachweislichen Energieverbrauch als jemand ausweist, der in den Erhalt des Netzwerks "investiert" ist.

In der Nomenklatur von Bitcoin wird der Vorgang als "Mining" bezeichnet, also eine Art Rohstoffabbau. Das liegt daran, dass das Finden der Lösung mit einem fixen Betrag frisch geprägter Bitcoins vergütet wird; zugleich weckt die frenetische Suche nach der passenden Lösung Assoziationen mit der Suche nach Gold und Edelmetallen. Durch diesen Aufbau ist es möglich, dass das Netzwerk von sich einander fremden Teilnehmer*innen betrieben wird, weil sich die Beteiligten für jeden Schreibvorgang erneut als hinreichend investiert in den Erhalt des Netzwerks ausweisen müssen.

Blöcke, Ketten, Vertrauen

Der letzte wichtige Aspekt taucht im eingangs wiedergegebenen Satz als "hash-based proof-of-work" auf. Damit wird der erbrachte Arbeitsnachweis noch einmal präzisiert. Der Arbeitsnachweis erbringt nicht nur die Lösung für eine aufwendige Rechenaufgabe, sondern erbringt diese Lösung in Form eines "Hashs", einer Art spezifische Prüfsumme, durch die sich nachvollziehen lässt, welche Transaktionen in einem Block enthalten sind.

Im Ergebnis führt das dazu, dass die Veränderung eines beliebigen vorangegangen Blocks dazu führt, dass die neue Prüfsumme nicht mehr zu den folgenden Prüfsummen passt und der Manipulationsversuch auffliegt. Die Verbindung aus PoW-Verfahren und Hashing macht es praktisch unmöglich, die Transaktionshistorie von Bitcoin rückwirkend zu verändern.

Der technische Aufbau wird in der medialen Darstellung oft als vertrauenslos und unveränderlich beschrieben. Der Soziologe Niklas Luhmann sagt über das Vertrauen: "Wer Vertrauen erweist, nimmt Zukunft vorweg. Er handelt so, als ob er der Zukunft sicher wäre." Vertrauen findet dort statt, wo sich das Gegenüber auch anders verhalten könnte. Die Vertrauenslosigkeit von Bitcoin beschreibt den Aufbau, bei dem die Einhaltung des Regelwerks des Netzwerks und die Teilnahme daran ein und dasselbe ist. Das Regelwerk des Netzwerks ist so eng gefasst, dass es praktisch unmöglich ist, sich abweichend zu verhalten, ohne vom Netzwerk ausgeschlossen zu werden. Die eigentliche technische Innovation von Kryptowährungen ist dieser Koordinationsmechanismus für ein verteiltes Netzwerk aus unbekannten Akteuren. Aus dem Open-Source-Charakter des Bitcoin resultiert zudem die Möglichkeit, aus dessen Programmcode eigene Alternativversionen und -währungen zu entwickeln. Im Ergebnis hat das zur Entstehung tausender Kryptowährungen geführt.

Kryptowährungen als Finanzinnovation

Bitcoin und viele alternative Kryptowährungen bauen auf zwei altbekannten Strömungen der Geldtheorie auf: dem Metallismus einerseits und den Ideen privaten Geldwettbewerbs andererseits.

Der Metallismus geht davon aus, dass der Wert des Geldes historisch zumeist den verarbeiteten Materialien entspringt, wie Gold oder Silber. Schon die Nomenklatur von Bitcoin macht den Einfluss des Metallismus deutlich. "Coin", zu Deutsch Münze, ist der Archetyp "harten" Geldes und eng verwoben mit der ursprünglichen Idee wertiger Metalle. Auch das "Mining", das nicht nur der Aufrechterhaltung der gemeinsamen Buchführung, sondern der Schöpfung neuer Bitcoins dient, schlägt den Bogen zum Abbau wertvoller Edelmetalle. Durch die einprogrammierte Mengenbegrenzung auf 21 Millionen Bitcoin wird zudem eine künstliche Knappheit analog zu knappen Edelmetallen erzeugt. Passend dazu wurde auch schon sehr früh der Begriff des "digitalen Metallismus" geprägt.

Dieser digitale Metallismus wird durch einen zweiten Ansatz ergänzt, den wir am ehesten in den Arbeiten des Ökonomen und Philosophen Friedrich A. von Hayek wiederfinden. In seinem 1976 erschienenen Buch "The Denationalisation of Money" entwickelt er die Vision eines Geldsystems, in dem Geld nicht von staatlichen Stellen ausgegeben wird, sondern von privaten Geldanbietern, die im ständigen Wettbewerb stehen. Dieser geldtheoretische Ansatz passt sehr gut zur Open-Source-Mentalität, die immer die Option aufzeigt, dass jemand, dem die Stoßrichtung eines Projekts nicht gefällt, stattdessen seine eigene Version aufsetzen kann und soll.

Warum machen diese zwei altbekannten Ansätze Kryptowährungen aber vermehrt zum Darling der Finanzbranche? Der digitale Metallismus gibt Kryptowährungen ein Doppelleben als Tauschmedium einerseits und als Spekulationsobjekt andererseits. Als Tauschmedium halten sich die Vorteile von Kryptowährungen, zumindest im Vergleich zu den Bezahldiensten, die ansonsten im Globalen Norden verfügbar sind, stark in Grenzen. Auch wenn Verfechter von Kryptowährungen gerne vermeintliche oder wirkliche Erfolgsgeschichten von Finanzinklusion und Akzeptanz erzählen, ist der Hauptbeitrag für das Finanzsystem heute die Schaffung von Volatilität. Kryptowährungen liefern dabei vor allem ein Narrativ, die mit dem digitalen Metallismus und der unterstellten Knappheitsdynamik eine formale Existenzberechtigung als investierbares Asset liefert, dessen Preise sich sehr stark von vermeintlich realen Faktoren wie der Nutzung als Tauschmittel entkoppelt haben. Kryptowährungen sind faktisch eher spekulative Anlageobjekte als Währungen.

Abseits der technischen und finanziellen Dimension gibt es noch drei Unterpunkte die hier gesondert aufgeführt werden, weil sie in aktuellen Debatten um Kryptowährungen präsent sind: der Stromverbrauch, Sicherheitsbelange und der Umgang mit Anleger*innen.

Strom und Sicherheit

Bitcoin verbrauchte 2021 0,55 Prozent des globalen Energieaufkommens – etwa so viel wie Malaysia oder Schweden. Um die Buchführung von Bitcoin zu stören, müsste man genug Strom verbrauchen, um den Mehrheitsanteil der Rechenleistung des Netzwerks zu erbringen. Dass der Stromverbrauch einen Zweck erfüllt, bedeutet jedoch nicht, dass sich die Frage erübrigt, ob der Nutzen von Kryptowährungen den enormen Verbrauch rechtfertigt.

Verfechter*innen von Kryptowährungen argumentieren, der Verbrauch von Bitcoin sei viel niedriger als der des konventionellen Finanzsystems. Dieser Vergleich hinkt jedoch gleich doppelt: einerseits bedeutet das nur, dass es hier ein weiteres Problem gibt und wir uns mit dem Stromverbrauch des Finanzsystems auseinandersetzen sollten; andererseits ist der Vergleich irreführend, wenn er nicht berücksichtigt, wie viele Nutzer*innen das jeweilige System hat. Der Stromverbrauch von Bitcoin mag geringer sein als das des konventionellen Finanzsystems, bietet gleichzeitig aber einen weitaus geringeren Nutzen. Durch alternative Konsensverfahren oder Skalierungslösungen wäre zwar ein niedrigerer Stromverbrauch pro Transaktion denkbar. Diese Lösungen sind heute aber nur bedingt im Einsatz und weisen wiederum eigene Schwächen und Probleme auf, die es zumindest problematisch machen, hier von einer Weiterentwicklung zu sprechen. Insofern sollte die Energieproblematik nicht als Durchgangsproblem behandelt oder kleingeredet werden.

Die Implikationen von Kryptowährungen für Fragen der nationalen und internationalen Sicherheit haben jüngst besonders an Relevanz gewonnen. Im Fokus stehen dabei Themen wie Sanktionsvermeidung, Terrorismusfinanzierung, Geldwäsche, Drogenhandel und insbesondere Ransomwarezahlungen. Es finden sich zwar relevante Fälle, wenn beispielsweise Bestände von terroristischen Vereinigungen beschlagnahmt werden, der Anteil an der Terrorismusfinanzierung insgesamt scheint aber eher überschaubar zu sein.

Im Kontext der Finanzierung sanktionierter Staaten scheint die Situation heute etwas ambivalenter. Nordkoreanische Hacker sollen 2021 über 400 Millionen US-Dollar durch Angriffe auf Investmentfirmen und zentralisierte Handelsbörsen erbeutet haben. Das Problem der Geldwäsche ist schwierig einzuschätzen. Zwar besteht es als Problem, gleichzeitig hat eine Vielzahl von Fällen gezeigt, dass das Gros der Kryptowährungen weit weniger anonym ist, als es die öffentliche Darstellung vermuten lässt. Abgesehen von der eher spekulativen Vorstellung, dass Kryptowährungen die Möglichkeiten staatlicher Geldpolitik einschränken könnten, ist das größte Gegenwartsproblem aus der Sicherheitsperspektive die Ransomware. Hier finden sich mittlerweile zahllose Attacken auf Datenbestände und sogar kritische Infrastrukturen, für deren Wiederherstellung Lösegelder in Kryptowährungen gefordert werden. Diese Zahlungen waren zuvor deutlich schwieriger umzusetzen, weil Millionenüberweisungen im Bankensystem schwierig sind und auch die Übergabe eines physischen Geldkoffers Probleme aufwirft. Die Möglichkeit, sich global Kryptowährungen senden zu lassen, macht heute jedes digitale System zu einem attraktiven Angriffsziel mit dem Potenzial einer Millionenbeute.

Bis heute sind Handelsbörsen das mit Abstand erfolgreichste Geschäftsmodell im Universum der Kryptowährungen. In der Vergangenheit sind solche Börsen mit zahlreichen Problemen aufgefallen, beispielsweise durch die Manipulation des Handelsvolumens; zugleich reflektieren viele Anleger*innen nur bedingt, was sie eigentlich kaufen, und hoffen stattdessen auf weitere Kurssprünge, während einige Influencer*innen dubiose Projekte bewerben. Die Probleme sitzen dabei so tief, dass es nur bedingt sinnvoll ist, zwischen "guten" und "schlechten" Kryptowährungen zu unterscheiden. Kritiker*innen haben stattdessen betont, dass die gesamte Gewinnerwartung sich heute aus der Erwartung speist, dass weiter frisches Geld in den Markt fließen wird. Insgesamt ist der Vergleich zu Schneeballsystemen nicht weit hergeholt.

Potenziale fürs Finanzsystem?

Auf der technischen Ebene sind Kryptowährungen trotz aller Euphorie immer noch ein Nischenphänomen, das die Lösung eines Spezialproblems darstellt. Bitcoin und einige andere Kryptowährungen können heute zuverlässig eine beschränkte Anzahl von Transaktionen in einem verteilten Netzwerk abbilden. Damit steht aber die Frage im Raum, ob diese Speziallösung genug Mehrwert schafft, um die enormen Kosten, die sie verursacht, zu rechtfertigen. Hier lautet die Antwort heute eher nein. Die Annahmebereitschaft ist nach wie vor gering, die Probleme sind erheblich, und die negativen Folgen enorm, von Stromverbrauch bis Ransomware und dem Umgang mit Anleger*innen.

Die Euphorie um Kryptowährungen wird vor allem klar, wenn man die Technikdimension der Rolle als Finanzinnovation gegenüberstellt. Was dann deutlich wird ist, dass es nicht die Marktbewertungen sind, die der Technologie folgen. Stattdessen sehen wir, wie die Marktbewegungen explodiert sind und jetzt versucht wird, diese spekulativen Entwicklungen rückwirkend durch ein vermeintliches Technikpotenzial zu rechtfertigen. Kryptowährungen werden heute vor allem von ihrer Existenz als Anlageobjekt im Kontext der Finanzinnovation getragen, daraus sollte aber nicht auf das Technikpotenzial geschlossen werden, dass, wie die Darstellung zeigt, sehr viel beschränkter ist.

Für die Frage nach dem gesellschaftlichen Nutzen von Kryptowährungen ist diese Entwicklung aber durchaus riskant. Durch die Kombination aus horrenden Marktbewertungen und schwacher, aber faszinierender Technik laufen wir Gefahr, unsere Energie darauf zu verschwenden, die Probleme zu suchen, die zu unseren vermeintlichen Lösungen passen. Anstatt sich die Richtung so vorgeben zu lassen, ist es heute wichtiger zu fragen, welche gesellschaftlichen Ziele wir mit unserem Finanzsystem erreichen wollen.

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ist Fellow am Zentrum für Nachhaltige Wirtschafts- und Unternehmenspolitik, Forschungskoordinator am Fachbereich Wirtschaft der Hochschule Darmstadt und promoviert an der Universiteit van Amsterdam.
E-Mail Link: moritz.huetten@h-da.de