Folgen der Pandemie : Corona – Welche Probleme an Schulen geblieben sind

Die Corona-Maßnahmen sind inzwischen fast überall – und damit auch an Schulen – entfallen. Dennoch sind die Folgen der Corona-Pandemie und der damit verbundenen Einschränkungen im Unterrichtsbetrieb an den Schulen noch deutlich zu spüren: Die Lernrückstände bei vielen Schülerinnen und Schülern sind enorm, und viele Kinder und Jugendliche zeigen deutlich mehr psychische Belastungen. Das Schulportal fasst hier wichtige Informationen und Erkenntnisse nach drei Jahren Pandemie zusammen.

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Maske auf der Straße als Symbol für Ende der Pandemie
Die Corona-Schutzmaßnahmen sind aufgehoben, die Pandemie hinterlässt aber deutliche Spuren.
©Frank Rumpenhorst/dpa

Maskenpflicht, Corona-Tests, Abstandsregeln, Schulschließungen – all das gehört inzwischen der Vergangenheit an. Das Ende der Pandemie ist nach drei Jahren fast erreicht, doch die Schulen kämpfen wohl noch lange damit, die Folgen der Pandemie zu bewältigen. Das hat auch die Schulleitungs-Befragung des Deutschen Schulbarometers deutlich gemacht. Demnach sehen 35 Prozent der Schulleitungen deutliche Lernrückstände bei den Schülerinnen und Schülern. Und jede zweite befragte Schulleitung gibt an, dass die Angebote der Schulsozialarbeit und der Schulpsychologie für die Unterstützungsbedarfe der Schülerinnen und Schüler nicht ausreichten. Seit Beginn der Pandemie wurden für das Deutsche Schulbarometer der Robert Bosch Stiftung regelmäßig Befragungen von Lehrkräften durchgeführt, die im Längsschnitt zeigen, wie sich die Herausforderungen für die Schulen und die Auswirkungen der Pandemie auf Schülerinnen und Schülern verändert haben.

Das Schulportal hat verschiedene aktuelle Studien und Umfragen angeschaut und die wichtigsten Ergebnisse herausgefiltert.

Wie groß sind die Lernrückstände wirklich?

In einer Allensbach-Umfrage im Auftrag der Deutschen Telekom unter Schülerinnen und Schülern der Klassenstufen 5 bis 10 scheinen die Lernrückstände inzwischen weniger gravierend zu sein als noch vor einem Jahr. Im Herbst 2022 gaben 12 Prozent (Vorjahr 27 Prozent) an, deutlich im Rückstand zu sein, und 47 Prozent (Vorjahr 52 Prozent) glaubten, etwas im Rückstand zu sein. Nur noch 17 Prozent (Vorjahr 38 Prozent) gaben allerdings an, sich wegen der Lernrückstände Sorgen zu machen.

Wie groß die Lernrückstände infolge der Corona-Pandemie tatsächlich sind, lässt sich kaum genau benennen, weil es zunächst keine deutschlandweiten Lernstandserhebungen in der Pandemie gab. Überhaupt werden bundesweit Lernstandsmessungen nur in größeren Abständen durchgeführt. So ist zwar davon auszugehen, dass das schlechte Abschneiden der Viertklässlerinnen und Viertklässler beim aktuellen IQB-Bildungstrend wesentlich mit der Corona-Pandemie zusammenhängt. Da die Messung in einer Jahrgangsstufe allerdings nur alle fünf Jahre stattfindet, ist es schwierig, herauszufiltern, welchen Anteil die pandemiebedingten Schulschließungen tatsächlich haben.

35 Prozent weniger Lernzuwachs

Die beim IQB-Bildungstrend festgestellten Lernrückstände von bis zu 30 Prozent könnten aber durchaus realistisch sein, wenn man auf eine weitere Meta-Analyse blickt, für die ein Team um den Soziologen Bastian Betthäuser 42 Studien zu Lernständen aus 15 Ländern analysiert hat. Die Ergebnisse sind im Januar 2023 in der Zeitschrift „Nature Human Behaviour“ erschienen. Danach lassen sich bei Schülerinnen und Schüler infolge der Pandemie im Schnitt 35 Prozent weniger Lernzuwachs verzeichnen als in anderen Schuljahren. Das größte Defizit sei in den ersten Monaten entstanden, als die Schulen erstmals fast überall geschlossen waren.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben sich auch angeschaut, in welchem Fach die Lernrückstände am größten waren: Mathematik. Sie vermuten, dass gerade hier die Eltern während der Phase des Homeschoolings ihre Kinder am wenigsten unterstützen konnten.

Außerdem hat das Team festgestellt, dass der sozioökonomische Hintergrund eine entscheidende Rolle dabei spielt, wie groß die Lernrückstände sind. Wie auch schon andere Studien gezeigt haben, sind die Lernrückstände bei Schülerinnen und Schüler aus sozial benachteiligten Elternhäusern erheblich größer als bei Schülerinnen und Schüler aus privilegierteren Verhältnissen. Und auch zwischen den untersuchten Ländern zeigt sich das: So konnten Betthäuser und sein Team feststellen, dass in Ländern mit mittleren Einkommen, zum Beispiel Mexiko, Brasilien oder Südafrika, die Lerndefizite noch mal deutlich größer sind als in Ländern mit höherem Einkommen.

Was hat das Programm „Aufholen nach Corona“ gebracht?

Das zwei Milliarden teure Programm „Aufholen nach Corona“, für das das Bundesbildungsministerium insgesamt zwei Milliarden Euro zur Verfügung gestellt hat, ist Ende 2022 ausgelaufen. Die Maßnahmen, um Lernlücken und andere in der Corona-Pandemie entstandenen Probleme bei Schülerinnen und Schülern auszugleichen, werden in vielen Bundesländern aber noch bis Ende 2023 oder 2024 fortgeführt.

Umstritten ist, welchen Effekt das Aufholprogramm gehabt hat. In der Kritik stand es vor allem, weil die Gelder nicht bedarfsgerecht, sondern überwiegend nach dem Gießkannenprinzip und wenig nachhaltig verteilt wurden. Das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) hat im Herbst 2022 eine Studie zur Umsetzung des Programms untersucht. Die Bilanz fällt ernüchternd aus, wie der Sozialwissenschaftler Marcel Helbig im Interview mit dem Schulportal deutlich macht: „Wir haben keine ordentliche und transparente Datenbasis im Bildungssystem. Aber gerade in Krisenzeiten ist das wichtig, weil nur so eine bedarfsgesteuerte Mittelzuweisung möglich ist“, sagte er.

Psychische Belastungen nehmen zu

Die großen Lernrückstände sind nur eine Folge der Pandemie. Auch die psychosozialen Belastungen haben bei Kindern und Jugendlichen in der Corona-Pandemie deutlich zugenommen. Nach einem gemeinsamen Bericht einer Arbeitsgruppe von Bundesfamilienministerium und Bundesgesundheitsministerium sind derzeit immer noch 73 Prozent der Kinder psychisch belastet. Beide Ministerien haben daher im Rahmen des gemeinsamen Abschlussberichts Anfang Februar 2023 Maßnahmen verabschiedet, um Kinder und Jugendliche langfristig und nachhaltig zu unterstützen. Unter anderem sollen mehr Therapieplätze geschaffen sowie Schulsozialarbeit und Schulpsychologie ausgebaut werden. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bezeichnete die Schulschließungen mit Blick auf die psychischen Auswirkungen in Nachhinein als Fehler.

Nach einer Anfang 2023 veröffentlichten Studie des Robert-Koch-Instituts sind die psychischen Probleme bei Kindern und Jugendlichen im Verlauf der Pandemie sogar immer weiter gestiegen. Sie hätten deutlicher auf die Veränderungen in ihrer Lebenswelt reagiert als Erwachsene, was sich vor allem in psychischen Auffälligkeiten auch in der Schule gezeigt habe.

Forschungsprojekt psychische Gesundheit von Kindern in der Pandemie

Die Autorinnen und Autoren der RKI-Studie kritisieren auch, dass in der Pandemie zu wenig zur Gesundheit von Kindern geforscht wurde. Eine Ausnahme bildet Julian Schmitz, Professor für klinische Kinder- und Jugendpsychologie an der Universität Leipzig. Er forscht seit Beginn der Pandemie zu den psychischen Auswirkungen der Schulschließungen und anderer coronabedingter Einschränkungen auf Kinder und Jugendliche. Er leitet auch das Projekt „Bipsy-Monitor Bildung und psychische Gesundheit“, bei dem die Universität Leipzig und die Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover, gefördert von der Robert Bosch Stiftung, zusammenarbeiten. Im Interview mit dem Schulportal hat Julian Schmitz gesagt: „Es geht uns nicht nur darum, die Versorgungslage abzubilden, sondern auch darum, zu zeigen, wo Barrieren im Hilfesystem liegen, was sich an den Schnittstellen verbessern lässt, was sich in den Schulen ändern kann.“

Auswirkungen fehlender Einschulungsuntersuchungen

Deutlich mehr Auffälligkeiten bei Kindern beobachten Lehrkräfte auch in der Schuleingangsphase. Ein Grund dafür ist, dass in der Pandemie in vielen Bundesländern wegen der Überlastung der Gesundheitsämter keine oder nur teilweise oder verspätet Schuleingangsuntersuchungen stattfanden. In den meisten Ländern sollen sie in diesem Jahr zwar wieder wie gewohnt laufen, das Aussetzen habe aber dazu geführt, dass Schulen bei mehr Kindern einen erhöhten Förderbedarf festgestellt haben als vor der Pandemie. Eine Umfrage des MDR unter Gesundheitsämtern in Thüringen hat zum Beispiel ergeben, dass Schulen häufiger Konzentrationsschwierigkeiten, Motorikprobleme und Sprachdefizite bei Kindern der ersten Klassen festgestellt haben.