Ehemaliger Hassprediger :
Sven Laus Verwandlung

Von Reiner Burger, Düsseldorf
Lesezeit: 5 Min.
Sven Lau im Interview
Der frühere Salafist gibt sich geläutert. Die Haft habe ihn mehr als nur gebrochen. Bald will er sich sogar in der Prävention engagieren. Die Leute hätten ihm ja schon einmal zugehört.

Die Abkehr vom alten Gedankengut will Sven Lau schon durch seinen gepflegten Auftritt deutlich machen. Beim Interview mit dem Dortmunder Filmemacher Sascha Bisley trägt der ehemalige Salafisten-Prediger, der früher gerne in langen Gewändern unterwegs war, ein eng geschnittenes Hemd, Jeans und Turnschuhe. Der Bart ist gestutzt, die Haare zurückgegelt. „Man kennt mich durch nichts Positives. Ich bin als Hassprediger und Terrorhelfer durch die Medien gegangen“, sagt der 39 Jahre alte Lau zur Vorstellung. Wenig später fügt er an: „Es gibt so viele Sachen, wo ich heute denke: ‚Krass, wo war dein Verstand?‘ Ich kann mir gar nicht erklären, wie verblendet ich war und wie lange.“

Der Berufsfeuerwehrmann aus Mönchengladbach war neben Pierre Vogel zeitweilig einer der „Stars“ der deutschen Salafisten-Szene. Überregionales Aufsehen rief der Konvertit erstmals mit seinem Moscheeverein „Einladung zum Paradies“ hervor, der bis zu seiner Selbstauflösung 2011 einer der wichtigsten salafistischen Treffpunkte in Deutschland war. Und 2014 war Lau dann der Initiator der „Scharia-Polizei“: Mit einer Gruppe befreundeter Männer war Lau mehrfach in orangefarbenen Westen durch das nächtliche Wuppertal gezogen, um junge Muslime an die Regeln für ein Leben nach islamischem Recht zu erinnern. In dieser Zeit zählten die Sicherheitsbehörden „Abu Adam“, wie sich Lau nannte, schon längst nicht mehr zum friedlichen Teil der Szene.

Tatsächlich hatte sich Lau zunehmend radikalisiert. Die Ermittler fanden heraus, dass er unter dem Deckmantel humanitärer Hilfe eine Untergruppe des „Islamischen Staats“ (IS) mit Geld und Sachleistungen wie einem ausrangierten Notarztwagen unterstützt und junge Männer aus seinem Umfeld zur Ausreise in den „Heiligen Krieg“ angestiftet hatte. Zudem war Lau auch selbst für kurze Aufenthalte nach Syrien gereist. Ende Juli 2017 verurteilte ihn das Oberlandesgericht Düsseldorf wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung zu fünfeinhalb Jahren Haft. Der lange Prozess und die Haft beeindruckten Lau sehr, wie er sagt. „Mich hat das zerschmettert. Ich war nicht einfach nur gebrochen, ich war k.o.. Ich wusste weder ein noch aus“, sagt Lau nun in dem Interview. Ihm habe nicht nur der Halt seiner Familie gefehlt, schwer zu schaffen habe ihm auch gemacht, als er von seiner Frau erfuhr, seine Kinder würden seinetwegen von Mitschülern verprügelt.

Es war der Beginn eines Wandlungsprozesses, der dann auch nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden schon so weit fortgeschritten ist, dass Lau nach Verbüßung von zwei Dritteln seiner Strafe auf freien Fuß kam. Das Oberlandesgericht Düsseldorf bescheinigte ihm nach Rücksprache mit Gutachtern und dem Generalbundesanwalt, er habe sich von seiner ursprünglichen radikal-islamischen Haltung „deutlich distanziert“. Doch der frühere Salafisten-Prediger muss in seiner auf fünf Jahre angesetzten Bewährungszeit strenge Auflagen erfüllen. Zudem muss er weiter am nordrhein-westfälischen „Aussteigerprogramm Islamismus“ teilnehmen, für das er sich in der Haft gemeldet hatte. 

Eine wichtige Rolle bei der Deradikalisierung spielte für Lau das Buch „Zurück aus der Hölle. Vom Gewalttäter zum Sozialarbeiter“, das im Aussteigerprogramm als Arbeitsmaterial dient. Sascha Bisley beschreibt darin seinen eigenen Lebensweg. Er gehörte früher der rechtsextremen Szene an. Mit 19 fiel er gemeinsam mit einem seiner „Kameraden“ im Vollrausch über einen Obdachlosen her. Bisley hatte Glück, er kam mit Bewährung davon. Doch das Opfer, das ihm während der Gerichtsverhandlung vergeben hatte, starb einige Monate danach an den Spätfolgen des Angriffs. Bisley ist seit 26 Jahren straffrei. „Das habe ich früher nicht einmal eine Woche geschafft“, sagt er. „Ich bin dankbar für die Chancen, die ich bekommen und genutzt habe.“

Als Lau Bisleys Buch gelesen hatte, bat er darum, mit dem Autor, der auch Video-Dokumentationen über die Randbereiche der Gesellschaft dreht, Kontakt aufnehmen zu dürfen. Der Verfassungsschutz befürwortete das. Der 46 Jahre alte Bisley besuchte Lau im Gefängnis. Viereinhalb Monate nach Laus Haftentlassung führte er dann ein langes Interview mit dem ehemaligen Hassprediger. Der Autor und Filmemacher produzierte einen 90-Minuten-Beitrag, den man auf Youtube sehen kann.

Lau hat noch einen weiten Weg vor sich

Es ist ein aufschlussreiches Interview – vor allem auch, weil deutlich wird, dass Lau noch einen langen Weg vor sich hat. Einerseits berichtet er offen über seine maßlose Selbstüberschätzung. Andererseits neigt er gelegentlich noch immer zu Selbstmitleid und Legendenbildung und beschreibt sich als Mann, der irgendwie unter Zugzwang war. Er habe nicht von Beginn an radikale Thesen verfolgt, erst durch die Schließung seiner Moschee in Mönchengladbach sei er immer tiefer in den Salafismus getrieben worden, behauptet Lau an einer Stelle. Als Vorsitzender einer Gemeinde habe er noch Verantwortung gehabt. „Aber wenn du nichts mehr hast, was bleibt dir dann?“ Doch Lau räumt auch ein, dass ihm der Aufstieg vom Berufsfeuerwehrmann zum bundesweit beachteten Hassprediger geschmeichelt habe. „Wir haben uns gesagt: Wenn da jetzt ‚Liebesprediger‘ stehen würde, dann würde uns keiner ernst nehmen.“ 

Seine Radikalisierung erklärt sich Lau letztlich mit einer Charakterschwäche: „Ich habe ein Problem, nein zu sagen.“ Wenn er mit gewissen Leuten zusammen sei, lasse er sich „schnell fangen“. „So ist es auch gekommen, dass ich in Syrien gelandet bin.“ Seine Besuche dort seien rein humanitärer Natur gewesen. Doch als er einen alten Freund wiedertraf, der dort kämpfte, habe ihm der Mut des zehn Jahre jüngeren Mannes sehr imponiert. Und zur Gründung der „Scharia-Polizei“ in Wuppertal sei er von einem „Bruder“ gedrängt worden, der nicht habe lockerlassen wollen. „Dinge wie die ‚Scharia-Polizei‘ sind entstanden, weil ich dachte, ich kann nicht wieder zurück“, sagt Lau. Stets hätten er und seine Anhänger sich alles immer mit der Behauptung schöngeredet, sie seien die Auserwählten.

Dass Lau tatsächlich auf dem Weg der Deradikalisierung ist, ergibt sich schon aus dem Umstand, dass beim nordrhein-westfälischen Aussteigerprogramm ausschließlich Personen aufgenommen werden, die nachweislich bereit sind, sich aus der Szene zu lösen. Lau hat sich mittlerweile sogar vorgenommen, bald selbst in der Präventionsarbeit tätig zu werden. „Ich habe Leute angeleitet, Falsches zu tun. Deshalb möchte ich gerne genau das Gegenteil tun und Jugendliche von derartigen Dingen bewahren.“ Doch wann das der Fall sein kann, lässt sich nicht absehen. Auch Lau weiß, dass er noch einen langen Weg vor sich hat. 

Mit seiner Familie lebt Lau unter seinem alten Namen in einer Sozialwohnung, arbeitet vier Tage die Woche in einer gemeinnützigen Einrichtung. Verfassungsschützer behalten ihn fest im Blick. Denn zu seinen Bewährungsauflagen zählen sowohl Aufenthaltsverbote wie auch das Verbot, wieder Kontakt zu alten Weggefährten aufzunehmen. Hält Lau sich nicht an diese Auflagen, muss er wieder ins Gefängnis zurück.