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Und Gott sandte mit Corona die Plage – Wie christliche Fundamentalisten das Virus instrumentalisieren

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Ein Schild am Eingang einer Predigerkirche weist auf die Nutzung der Kirche als Notaufnahme der Notfallstation des Universitätsspitals Basel für Coronavirus-Patienten hin.
Ein Schild am Eingang einer Predigerkirche weist auf die Nutzung der Kirche als Notaufnahme der Notfallstation des Universitätsspitals Basel für Coronavirus-Patienten hin. © picture alliance/dpa/Georgios Kefalas

Kommunion und Weihwasser werden in Zeiten des Coronavirus zum Risiko. Fundamentalisten sehen in der Pandemie eine Strafe Gottes - das ist brandgefährlich.

Die Corona-Pandemie hat die Gesellschaft im Griff. Das betrifft nicht nur die Kultur und den Sport. Auch die kirchlich-religiösen Institutionen der Katholiken, Protestanten, Muslime und Juden sehen sich zu Vorsichtsmaßnahmen genötigt, immerhin sind die rituellen Zusammenkünfte als Massenveranstaltungen angedacht. 

Und in Erwägung der Tatsache, dass Coronaviren in erster Linie durch Tröpfchen- oder Schmiereninfektion übertragen werden, gelten einige religiöse Riten, insbesondere die katholische Kommunion oder die Verwendung des Weihwasserbeckens, als konkrete Gefährdung der Gläubigen.

Kirchliche Insitutionen reagieren auf das Coronavirus - der Vatikan hat gar geschlossen

Entsprechend haben die kirchlichen Institutionen reagiert und Messen bereits abgesagt beziehungsweise mit bestimmten Vorsichtsmaßnahmen belegt. Nicht mehr als 100 Menschen sollen eine religiöse Veranstaltung besuchen, Abstand wurde angeraten, die Hostie solle in die Hand und nicht in den Mund verabreicht werden, und eventuell könne sogar auf das Abendmahl verzichtet werden. Der Vatikan hat gar beschlossen, katholische Kirchen in Rom zu schließen.

Katholisch.de berichtet, sämtliche „Gottesdienste“ würden ohne Teilnehmende abgehalten und online übertragen. „In sozialen Netzwerken oder über Messenger wie WhatsApp oder Telegram haben sich User zu christlichen Communities zusammengeschlossen, die gemeinsam beten und geistliche Impulse austauschen“, heißt es dort. 

Ein Schild am Eingang einer Predigerkirche weist auf die Nutzung der Kirche als Notaufnahme der Notfallstation des Universitätsspitals Basel für Coronavirus-Patienten hin.
Ein Schild am Eingang einer Predigerkirche weist auf die Nutzung der Kirche als Notaufnahme der Notfallstation des Universitätsspitals Basel für Coronavirus-Patienten hin. © picture alliance/dpa/Georgios Kefalas

Österreichisches Online-Portal „kath.net“ verfolgt eigene Corona-Politik

Das klingt alles nach vernünftigen und der aktuellen Situation angemessenen Reaktionen, mit denen jedoch nicht alle einverstanden sind. So scheint das österreichische Online-Portal „kath.net“ eine eigene Corona-Politik zu verfolgen und macht in den sozialen Netzwerken fleißig Stimmung.

Beispielsweise kritisiert „kath.net“ ernsthaft, dass „Mundkommunion“, also die Hostie in den Mund gereicht, teilweise temporär untersagt würde. Die „Werbetrommel für die AfD“ (Theologin Angelika Strube) argumentiert auf Twitter dahingehend, dass das Virus „v.a. durch Handkontakt weitergegeben (würde)“. Das Verbot sei ein „wirkliches Ärgernis“, Kritik dagegen „keine Stimmungsmache“. Hedwig von Beverfoerde, Mitorganisatorin des reaktionär-religiösen Vereins „Demo für alle“, hatte zur Diskussion auch etwas beizutragen. So hätte sie gerne einmal das erhöhte Übertragungsrisiko „der Mundkommunion gegenüber der Handkommunion ...detailliert erklärt“. Außerdem halte sie es für ausgeschlossen, dass „der würdig empfangene Leib des Herrn ein tödliches Virus überträgt“.

Dem kann Abhilfe geschaffen werden: Der Priester, der die Hostie auf die Zunge legt, kommt potentiell mit Körperflüssigkeit einer Person A in Berührung. Und gibt jene an nachfolgende Person B weiter. Ist das wirklich so kompliziert? Der Hauptübertragungsweg findet gemäß Bundesgesundheitsministerium über Tröpfchen statt. Und die machen, ohne Frau Beverfoerde zu nahe treten zu wollen, nicht vor dem „Leib des Herren“ halt. Vielmehr torpedieren „kath.net“ et al hier notwendige Schutzmaßnahmen. 

Coronavirus-Pandemie: Schweizer Weihbischof tritt Kenntnisse der Moderne in die Tonne

Aber da geht durchaus noch mehr. Beverfoerde und das Portal verbreiten ein „sehr wichtiges Video“ (H.v.B.) des Schweizer Weihbischofs Marian Eleganti, der sämtliche säkularen Kenntnisse der Moderne in 9.16 Minuten in die Tonne tritt. 

Der Befürworter des Minarettverbots (2009) bedient sich des Alten Testaments, das auf den Einfluss der „spirituellen Befindlichkeit und Treue des Volkes Israels“ auf „historische Ereignisse“ verweise – genauer auf Seuchen und Krankheiten. Jedoch gäbe es diejenigen, die, „ohne vernünftige menschliche Vorsichtsmaßnahmen zu treffen“, keine „Wunder“ erwarteten. Zu denen zählt sich Eleganti offensichtlich nicht, vielmehr sieht er an dieser Stelle einen „Knackpunkt“. 

Existentiell sei schließlich „das Vertrauen in Gott“. Der habe Einfluss auf die Dinge, die den Einzelnen, bzw. alles (!), angehen. Weiter hänge die „richtige Einstellung der Kirche Gott gegenüber … und Schicksale, die die Völker treffen“, miteinander zusammen. 

Logische Schlussfolgerung: Buße, Beten, Demut etc.pp wirkten sich auf die „Befindlichkeit der ganzen Menschheit“ aus. Fatal diesbezüglich sei wohl der aktuelle Umgang mit „gesegnetem“ Wasser, das ja immerhin Heil brächte. Wie bloß könne man „kapitulieren vor dieser übernatürlichen Wirklichkeit, und die Weihwasserbecken bleiben leer?“ Gleichsam glaube er an die „Kraft der Gegenwart Gottes in der heiligen Hostie, die der Leib Christi ist“. 

Coronavirus-Pandemie: Die Äußerungen des Weihbischofs sind manipulativ

Was Bischof Eleganti hier in warmen Worten unter seine Schäfchen predigt, klingt zwar nach einem Priesterseminar aus dem tiefsten Mittelalter. Dennoch sind seine Verknüpfungen manipulativ und nicht ungeschickt. 

Bricht man das Gesagte auf seinen Kern herunter, sind die Säkularisierung und ebenso die sich dem Weltlichen teils öffnenden kirchlichen Institutionen schuld an Corona – setzt er doch explizit kirchliche Einstellungen gegenüber „Gott“ in Beziehung zu den „Plagen“. Entsprechend haben wir es hier mit einem christlichen Fundamentalismus zu tun, der die Handlungsoptionen des Menschen in Richtung einer imaginierten Gottheit kanalisiert. Eine Abkehr vom „Herrn“ wird entsprechend mit Krankheit“, aktuell Corona, bestraft, was sozusagen im Subtext als Beweis für dessen Existenz behauptet wird. 

Das klingt einigermaßen irrational, ist aber brandgefährlich. Immerhin gibt es genug Menschen, die gerade einen Bischof als Autorität anerkennen und existentielle Schutzmaßnahmen als Teufelszeug abtun. Weiter gedacht schützt also nicht Desinfektion oder körperlicher Abstand vor dem Virus, vielmehr befriede man potentiell mit der Einnahme der Hostie oder dem Baden in Weihwasser den göttlichen Zorn, auf dass er die Menschheit wieder von den „Plagen“ erlöse.

Von Katja Thorwarth

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Wege des Coronavirus könnte Deutschland bald eine Ausgangssperre verhängen. Wird es Ausnahmen geben? Was, wenn man dagegen verstößt? Alles, was wichtig ist.

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