Mit der rasanten Ausbreitung des Coronavirus Sars-CoV-2 entstehen neue Gefahren, die Europas Sicherheitsinteressen im Kern betreffen. Sie kommen zu den bereits bekannten sicherheitspolitischen Risiken hinzu. Außenpolitikexpertin Nora Müller über die neue Bedrohungslage durch die Viruspandemie.
Als Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg vergangenen Donnerstag per Videoübertragung die Mitgliedstaaten der Allianz dazu aufrief, trotz der Corona-Krise ihre Verteidigungshaushalte aufzustocken, galt in den alliierten Regierungszentralen die oberste politische Priorität Intensivbetten und Rettungsschirmen. Nicht Wehretats und militärischem Gerät. Ohne Frage: In Zeiten wie diesen steht der Gesundheitsschutz der Bevölkerung an erster Stelle. Doch Stoltenberg erinnerte die Bündnispartner zu Recht daran, dass sich die sicherheitspolitische Bedrohungslage durch die Pandemie nicht verändert hat.
"Bestehende Bedrohungen verschwinden nicht plötzlich
wie von Zauberhand", so Robert
Latiff, pensionierter Generalmajor der US-Luftwaffe und Professor an der George
Mason University. Mehr noch: Durch die rasante Ausbreitung des Coronavirus entstehen
neue Gefahren, die Europas Sicherheitsinteressen im Kern betreffen. Sozusagen
die Krise in der Krise.
Nordafrika
und dem Nahen Osten, Europas von Krisen geplagter südlicher Nachbarschaft, droht
durch das Coronavirus eine weitere Destabilisierung. Mit Ausnahme des
Iran, der nach Italien, China und Spanien laut den offiziellen Zahlen die vierthöchste
Zahl an Corona-Toten zu verzeichnen hat, werden
aus der Region zwar noch vergleichsweise niedrige Fallzahlen gemeldet.
Ausschlaggebend dafür dürften jedoch vor allem fehlende diagnostische
Kapazitäten sein – mit einer deutlich höheren Dunkelziffer muss also gerechnet
werden.
Verwerfungen in der Größenordnung der Arabellion
Angesichts übervölkerter Megacities – allein in Kairo leben über 20
Millionen Menschen –, Hunderttausenden von Bürgerkriegsflüchtlingen in
ärmlichen und hygienisch unzureichenden Behelfsunterkünften sowie schwachen
Regierungen, die mit der Eindämmung der Pandemie hoffnungslos überfordert sind,
steht der Region nicht nur eine weitere humanitäre Katastrophe bevor. Möglicherweise stehen auch politische Umwälzungen bevor, denn das Coronavirus könnte
sich als Beschleuniger für die fatale Mischung aus schlechter
Regierungsführung, grassierenden wirtschaftlichen Problemen und wachsendem
Misstrauen zwischen Eliten und Gesellschaften erweisen.
Jon Alterman, Direktor
des Nahost-Programms am Washingtoner Center for Strategic and International
Studies (CSIS), hält sogar politische
Verwerfungen in der Größenordnung der Arabellion für
denkbar – und das direkt vor Europas Haustür.
Wie
sich die Corona-Krise auf die angespannten Beziehungen zu Russland, den
sicherheitspolitischen Hotspot an der europäischen Ostflanke, auswirkt, ist
derzeit schwer absehbar. Ebenso schwierig ist es angesichts gelenkter
Kommunikation von russischer Seite, Aussagen über das tatsächliche Ausmaß der
Pandemie in der Russischen Föderation zu treffen.
Fest steht indessen, dass
Präsident Wladimir Putin ein untrügliches Gespür dafür hat, historische Gelegenheiten zu erkennen und dabei aus Schwächen der Gegner politisches
Kapital zu schlagen. So auch jetzt. Einem
von der britischen Tageszeitung The
Guardian veröffentlichten internen Bericht des Europäischen Auswärtigen
Dienstes zufolge haben Kreml-nahe Medien
Falschnachrichten über die Ausbreitung des Coronavirus lanciert, um die durch
den Gesundheitsnotstand ausgelöste Krise in den westlichen Ländern weiter zu
verschärfen.
Mit der rasanten Ausbreitung des Coronavirus Sars-CoV-2 entstehen neue Gefahren, die Europas Sicherheitsinteressen im Kern betreffen. Sie kommen zu den bereits bekannten sicherheitspolitischen Risiken hinzu. Außenpolitikexpertin Nora Müller über die neue Bedrohungslage durch die Viruspandemie.
Als Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg vergangenen Donnerstag per Videoübertragung die Mitgliedstaaten der Allianz dazu aufrief, trotz der Corona-Krise ihre Verteidigungshaushalte aufzustocken, galt in den alliierten Regierungszentralen die oberste politische Priorität Intensivbetten und Rettungsschirmen. Nicht Wehretats und militärischem Gerät. Ohne Frage: In Zeiten wie diesen steht der Gesundheitsschutz der Bevölkerung an erster Stelle. Doch Stoltenberg erinnerte die Bündnispartner zu Recht daran, dass sich die sicherheitspolitische Bedrohungslage durch die Pandemie nicht verändert hat.