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Deutschland Unsichere Weltlage

Ausgerechnet Terroristen erstarken in der Krise

Konflikt in Syrien Konflikt in Syrien
IS-Kämpfer im März 2019 in Syrien: Kurdische Milizen waren entscheidend für die militärische Niederlage der Terroristen
Quelle: dpa-infocom GmbH
Sicherheitsexperten warnen, dass die aktuelle Pandemie die Sicherheitslage in schwer betroffenen Ländern destabilisisieren könnte. Der Auftrag des BND müsse daher angepasst werden, fordert ein ehemaliger Geheimdienstkoordinator.

Während sich die Coronavirus-Krise verschärft, bejubelt die Terrormiliz Islamischer Staat in ihrem Onlinemagazin „al-Naba“ die Pandemie. „Möge Gott die Qualen der Ungläubigen erhöhen und die Gläubigen beschützen“, heißt es dort. Die „Kreuzfahrernationen“ seien nun mit ihrer eigenen Sicherheit beschäftigt und bemüht, ihre Truppen nach Hause zu bringen. Frankreich hat beispielsweise angekündigt, seine im Irak stationierten Soldaten abzuziehen, um in der Heimat helfen zu können. Auch die Bundeswehr dünnt Auslandseinsätze wie im Irak aus.

Tatsächlich könnten Terroristen von der Krise profitieren. Neben internationalen Sicherheitsexperten warnen erfahrene deutsche Geheimdienstler vor massiven internationalen Turbulenzen. „Die Virus-Krise stellt eine Bedrohung für die Stabilität und Sicherheit vieler Staaten dar“, sagt Gerhard Conrad zu WELT AM SONNTAG.

Conrad gilt als einer der erfolgreichsten Agenten in der Geschichte des Bundesnachrichtendienstes (BND): Er leitete die Vertretung in Damaskus und verhandelte Gefangenenaustausche zwischen der schiitischen Miliz Hisbollah, später auch der Hamas, und Israel. Bis 2019 war er Direktor des Nachrichtendienstlichen Lage- und Auswertungszentrums der EU.

Der neue Mann an der Spitze: Gerhard Conrad arbeitete jahrelang für den Bundesnachrichtendienst (BND) im arabischen Raum
Gerhard Conrad arbeitete jahrelang für den Bundesnachrichtendienst im arabischen Raum
Quelle: Soeren Stache-picture alliance / dpa

Die Krankheit Covid-19 könnte zu einer Schwächung von Sicherheitsstrukturen in besonders schwer betroffenen Ländern und Regionen und damit zum Wiedererstarken terroristischer Netzwerke führen, erklärt Conrad. Seine Forderung: Sowohl in Deutschland als auch international müsse der Druck auf terroristische Strukturen aufrechterhalten werden. „Darüber hinaus verdienen jedoch die direkten und indirekten Auswirkungen der Pandemie auf die Stabilität der betroffenen Staaten weltweit ein besonderes Maß an Aufmerksamkeit“, erläutert Conrad.

Ihm pflichtet der ehemalige Staatsminister und Geheimdienstkoordinator der Regierung Kohl, Bernd Schmidbauer, bei. „Ich werde in den nächsten Tagen Angela Merkel anschreiben und sie auffordern, die Aktivitäten der Sicherheitsbehörden hochzufahren“, sagte Schmidbauer zu WELT AM SONNTAG.

Er fordert einen Strategiewechsel: Merkel müsse dafür sorgen, dass das Auftragsprofil für den BND der Corona-Krise angepasst werde. „Alle im Zusammenhang mit der Pandemie stehenden Informationen sind jetzt für Deutschland extrem wichtig“, findet Schmidbauer. „Vor allem die Gefahr durch Extremisten und Terroristen, die eine solche Lage für ihre Zwecke ausnutzen wollen, ist groß. Ich nenne da nur Netzwerke in den Maghreb-Staaten und im Nahen Osten. Zudem könnte die Virus-Krise eine neue Flüchtlingswelle nach Europa zur Folge haben“, befürchtet Schmidbauer.

Auch Ex-Agent Conrad sieht die Gefahr, dass vor allem in ärmeren Regionen die Krankheitswelle gravierende ökonomische und gesellschaftliche Verwerfungen nach sich ziehen wird. Laut Conrad müssen die Geheimdienste deshalb besonders diesen Fragen nachgehen: Wie können dort massive und anhaltende Einbrüche in zentralen Wirtschaftsbereichen wie Tourismus und Handel, aber auch bei den Einnahmen im Erdölsektor, abgefedert werden – oder eben auch nicht? Welche Risiken können sich hier für die Sicherheit in fragilen Regionen ergeben, bedingt durch zusätzliche soziale und wirtschaftliche Belastungen?

Ebenso müssten Desinformationskampagnen anderer Staaten im Zusammenhang mit Covid-19 von den Geheimdiensten genau analysiert werden, sagt Conrad. Die Dienste seien in besonderem Maße bei der Rückverfolgung und der Analyse der Fake News hinsichtlich ihrer Zielrichtung und Kampagnenqualität gefordert. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) bestätigte dies auf Anfrage indirekt: „Eine der Prioritäten des BfV liegt aktuell auf einem fortlaufenden Monitoring, inwieweit in den durch das BfV bearbeiteten Phänomenbereichen die Corona-Krise instrumentalisiert wird.“

Dieser Text ist aus der WELT AM SONNTAG. Wir liefern sie Ihnen gerne regelmäßig nach Hause.

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Quelle: WELT AM SONNTAG

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