Freitag, 29. März 2024

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Tracking-Technologien
"Was wir tun, reicht weit über die Coronakrise"

Der Literaturwissenschaftler Felix Maschewski sieht Deutschland in puncto Tracking-Technologien an einem Scheideweg. Jetzt sei es wichtig, darüber nachzudenken, wie wichtig uns die Privatsphäre sei und wie weit wir sie womöglich gegen die Gesundheit ausspielen wollten, sagte er im Dlf.

Felix Maschewski im Gespräch mit Michael Köhler | 05.04.2020
Die Freiwilige Corona-App "app.coronapp.eu" auf einem Handy-Display mit der Robert Koch Institut Website im Hintergrund.
Ist Handy-Tracking auf freiwilliger Basis ein gutes Mittel, um die Ausbreitung des Corona-Virus einzudämmen? (picture alliance / Geisler-Fotopress)
Der Literatur- und Wirtschaftswissenschaftler Felix Maschewski hat gemeinsam mit Anna-Verena Nosthoff das Buch "Die Gesellschaft der Wearables: Digitale Verführung und soziale Kontrolle" geschrieben. Darin geht es um die Geräte, die immer mehr Menschen an Handgelenken tragen: Wearbables - also smarte Uhren, die Puls und Schritt messen, die den persönlichen Zustand dokumentieren. Aber nicht nur Privatpersonen nutzen solche Technologien: Tracking-Geräte seien bereits in unterschiedliche Geschäftsmodelle eingeflossen, sagte Felix Maschewski im Dlf und nennt US-Versicherungen als Beispiel.
"Dadurch ist so etwas entstanden, wie eine Institutionalisierung oder Normalisierung solcher Technologien und Praktiken, sodass das einstmals vielleicht isolierte und quantifizierte Selbst sukzessive in so etwas überführt wurde, was man als quantifiziertes Kollektiv beschreiben kann", sagte der Wirtschafts- und Literaturwissenschaftler.
Tracking-App soll bei Coronavirus-Eindämmung helfen
Auch bei der Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie soll Tracking-Technologie eingesetzt werden. Es soll eine App geben, die einerseits die Privatsphäre achtet und trotzdem Infizierte überwacht und ihre Kontakte warnt. Doch ist das der erste Schritt auf dem Weg zum gläsernen Bürger. Felix Maschewski glaubt, dass wir uns an einer Wegscheide befinden: "Wir müssen in dieser Coronakrise schauen, in welche Richtung wir wollen bezüglich dieser überwachungskapitalistischen Praktiken, bezüglich dieser Tracking-Technologien."
Dass die Telekom Funkzellendaten an das Robert-Koch-Institut gegeben habe, sei aus Datenschutzsicht erst mal unproblematisch. "Doch das, was in den anderen Ländern wie Südkorea und China passiert sollte uns zu Denken geben, wie das Druck auf unserer Politik auslöst."
Gestaltungsspielräume nutzen
Wir steuerten auf eine Entscheidungssituation zu. Jetzt sei es wichtig, darüber nachzudenken, wie weit uns die Privatsphäre und wie weit wir sie womöglich gegen die Gesundheit ausspielen wollten, so Maschewski. "Ich glaube, dass wir uns dafür mehr Zeit nehmen sollten, als uns das aktuell manchmal recht ist, weil wir doch hier etwas tun, was weit über die Coronakrise reichen wird."
Diese ganzen Technologien werden sich weiterverbreiten, sagte Maschewski. Er appelliert daran, die Gestaltungsspielräume, die sich ergeben werden, auch zu nutzen.
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