Nato:Sicherheit hat ihren Preis

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Eine deutsche Bundeswehr-Soldatin steht zusammen mit ihrem Kameraden bei dem von der Bundeswehr angeführten Nato-Bataillon auf dem Militärstützpunkt in Rukla. (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Die Europäer sollten trotz der Pandemie nicht an ihrer Verteidigung sparen. Die USA werden mehr Engagement fordern, auch falls der nächste Präsident Joe Biden heißt.

Kommentar von Matthias Kolb, Brüssel

Die Nato ist eine Organisation, die es nicht stört, wenn man wenig von ihr hört. Egal, was gerade die Schlagzeilen dominiert: Das nordatlantische Verteidigungsbündnis kümmert sich stets darum, die Bürgerinnen und Bürger seiner 30 Mitgliedstaaten zu schützen, indem es deren Verteidigung sicherstellt und Gegner abschreckt. Diese Kernaufgaben erfüllt die Nato auch in der Corona-Krise weiter. Weder der Einsatz in Afghanistan noch die Missionen in Polen sowie in den baltischen Staaten zur Sicherung der Ostflanke sind gefährdet; auch in der Region des Schwarzen Meeres, wo Russland aufrüstet, ist die Allianz präsent.

Gewiss, auch Nato-Soldaten sind infiziert. In den Kasernen gelten Abstandsregeln, Übungen wurden abgesagt, und die wenigen Menschen, die die Brüsseler Zentrale betreten, kommunizieren per Video. Doch "aus der Gesundheitskrise darf keine Sicherheitskrise werden", diese von Generalsekretär Jens Stoltenberg oft wiederholte Warnung gilt weiter. Und die Verteidigungsminister berieten am Mittwoch darüber, wie die Fähigkeiten der Nato derzeit noch besser genutzt werden können: Seit Wochen liefern Transportflugzeuge tonnenweise Hilfsgüter. Dass das Gründungsmitglied Italien ebenso Hilfe erhält wie der Neuling Nordmazedonien, ist ein ermutigendes Zeichen der Solidarität.

Die Weltlage wird auch nach Überwindung der Pandemie bedrohlich bleiben

Zugleich werden Schwächen deutlich: Die Nato-Planer rechneten nicht damit, dass eine Pandemie alle Verbündeten gleichzeitig treffen könnte. Allerdings hatten sie seit Jahren gefordert, die Resilienz zu stärken, also die Widerstandsfähigkeit der Gesellschaften. Dass es nun an Schutzkleidung und medizinischem Material fehlt, weil diese in Asien produziert werden, zeigt eine große Verwundbarkeit. Hinzu kommt: Unter Donald Trump sind die USA nicht mehr die Führungsnation, deren Beispiel die Verbündeten folgen. Dies kann man beklagen, doch das ändert nichts daran, dass sich Europa ohne US-Militär nicht verteidigen kann. Immerhin, zuletzt sind die Verteidigungsbudgets überall gestiegen. Dies hilft bei der Bewältigung der Corona-Krise. Wenn die Europäer in Militär, Infrastruktur und Cyber-Fähigkeiten investieren, so dient dies vielleicht nicht der Beruhigung Trumps, aber ihren eigenen Interessen.

Daher wäre es kurzsichtig, den Rufen nach Kürzungen beim Militär nachzugeben, die kommen werden, wenn die Pandemie eingedämmt ist. Warnendes Beispiel ist die Zeit nach der Finanzkrise 2008: Die Europäer strichen viel und unkoordiniert, sodass ihre Verteidigungsfähigkeit litt. Und die Weltlage bleibt bedrohlich: Wladimir Putin hat die Krim völkerrechtswidrig annektiert und Russland als Akteur in Nahost und Nordafrika etabliert. Dort, in der Nachbarschaft Europas, bleibt die Lage fragil. Putins Soldaten sind kriegserprobt, und Russland versucht, mit Desinformationskampagnen die Nato und die EU zu spalten. Zudem drängt China auf die Weltbühne und fordert die USA heraus. Washington wird von Europa mehr Einsatz verlangen - auch falls der nächste US-Präsident Joe Biden heißt.

Gerade Deutschland trägt nun große Verantwortung. Es gilt, gemeinsame Projekte mit Frankreich voranzutreiben und Vorbild zu sein: Wenn Europas größte Volkswirtschaft meinen sollte, beim Militär sparen zu können, werden kleinere Länder dies erst recht tun. Die Nato ist nicht Europas einzige Lebensversicherung, aber Corona erinnert daran, wie wichtig sie auch in Friedenszeiten ist.

© SZ vom 16.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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