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Uno-Bericht zur Terrormiliz Der "Islamische Staat" kehrt zurück

Erst verlor der IS sein Territorium, dann seinen Anführer Abu Bakr al-Baghdadi. Nun arbeiten die Dschihadisten einem Uno-Bericht zufolge in Syrien und im Irak an ihrer Rückkehr.
Mutmaßliche IS-Kämpfer in einem Gefängnis nahe Mossul (Juni 2017): Die Terrormiliz ruft ihre Mitglieder zu Ausbrüchen aus Gefangenenlagern auf

Mutmaßliche IS-Kämpfer in einem Gefängnis nahe Mossul (Juni 2017): Die Terrormiliz ruft ihre Mitglieder zu Ausbrüchen aus Gefangenenlagern auf

Foto: Andrea DiCenzo/DPA

Auf dem Höhepunkt seiner Macht herrschte der "Islamische Staat" (IS) über mehr als acht Millionen Menschen und weite Teile Syriens und des Iraks. Inzwischen hat die Terrormiliz ihr "Kalifat" verloren, gilt als militärisch besiegt. Vernichtet ist sie aber nicht.

Einem Uno-Bericht zufolge fasst sie in ihrem Kerngebiet vielmehr wieder Fuß. Nach dem Verlust ihres Territoriums hätten die Dschihadisten begonnen, sich in Syrien wie im Irak "wieder Geltung zu verschaffen", heißt es in dem Report , der jüngst dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen vorgelegt wurde und sich auf neuere Erkenntnisse von Sicherheitsbehörden verschiedener Mitgliedstaaten stützt.

Die Terrormiliz führt demnach wieder "zunehmend gewagte Guerilla-Attacken" durch. Außerdem rufe sie ihre Kämpfer zum Ausbruch aus Internierungslagern auf und plane auf solche Ausbrüche hin. Die Gruppe nutze ferner die Schwächen örtlicher Sicherheitskräfte aus.

"Von der Verantwortung befreit, ein Territorium verteidigen zu müssen"

Der IS hatte 2014 weite Teile Syriens und des Iraks unter Kontrolle gebracht. In den vergangenen Jahren musste die Terrormiliz aber eine Reihe militärischer Niederlagen hinnehmen:

Tod des "Kalifen": US-General Kenneth McKenzie nach dem Einsatz, der zum Tod Abu Bakr al-Baghdadis führte

Tod des "Kalifen": US-General Kenneth McKenzie nach dem Einsatz, der zum Tod Abu Bakr al-Baghdadis führte

Foto: Alex Wong/ AFP

Allerdings konstituierte sich die Gruppe nach dem Verlust ihres Territoriums laut dem Uno-Bericht als im Verborgenen agierendes Netzwerk wieder, zunächst im Irak, dann - insbesondere zwischen Juli und September 2019 - in Syrien. Von der "Verantwortung befreit, ein Territorium verteidigen zu müssen", führte die Gruppe demnach Attacken in den Gebieten durch, die vom Assad-Regime gehalten werden.

Des Weiteren präsentierte die Gruppe einen Nachfolger für Baghdadi: Abu Ibrahim al-Haschimi al-Quraischi. Hinter dem Pseudonym soll Amir Mohammed Said Abdul Rahman al-Mawli al-Salbi stehen - zu dieser Schlussfolgerung kommen laut dem Uno-Bericht mehrere Mitgliedstaaten, auch wenn eine endgültige Bestätigung bisher ausstehe. Es soll sich um einen Theologen aus der Stadt Tall Afar westlich von Mossul und den ranghöchsten Iraker in der Terrormiliz handeln. Anders als Baghdadi ist al-Salbi demnach kein Araber, sondern Turkmene. Manche Mitgliedstaaten seien deshalb zu der Einschätzung gekommen, dass er "nur eine Übergangslösung sein könnte, bis die Gruppe einen legitimeren 'Emir' gefunden habe", heißt es in dem Bericht. Eine strategische Neuausrichtung sei nach dem Wechsel an der Spitze aber nicht zu erwarten.

Das US-Verteidigungsministerium hatte schon im vergangenen Sommer vor einem Wiedererstarken der Gruppe gewarnt. In einem weiteren Bericht kam das Pentagon im November zu der Einschätzung, dass der IS den Teilabzug von US-Truppen aus Syrien und die anschließende türkische Militäroperation im Norden des Landes zur Konsolidierung genutzt habe.

"Ein Rezept für Radikalisierung"

Im Zuge der Offensive sollen unter anderem mehrere Hundert IS-Anhänger aus einem Internierungslager in Nordsyrien entkommen sein. Die Uno berichtet, dass unter diesen Geflüchteten auch Kämpfer seien, wobei unklar sei, wie viele von ihnen wieder festgenommen werden konnten. Die Zustände in den Lagern gehörten zu den besorgniserregendsten Punkten. Sie stellten ein "Rezept für Radikalisierung" dar, vor allem im Fall von Jugendlichen.

Ein anderer Grund zur Sorge ist laut dem Bericht die hohe Zahl ausländischer Kämpfer. Von den mehr als 40.000 Kämpfern, die sich ursprünglich dem "Kalifat" angeschlossen hatten, sei zwischen der Hälfte und zwei Drittel noch am Leben. Allerdings sei die Gruppe derzeit zu schwach um eine direkte Bedrohung für Europa darzustellen. Sie sei hier vielmehr auf "einheimische Terroristen" angewiesen. Diese seien oft unzuverlässig und wenig wirkungsvoll.

Die Miliz profitiere jedoch im Irak und in Syrien von einem europaweiten "Finanzierungsnetzwerk", heißt es in dem Bericht. Von entscheidender Bedeutung seien dabei die ausländischen Kämpfer aus Europa. Diese erhielten regelmäßig Geld von Verwandten, zuweilen Beträge zwischen 3000 und 5000 Euro, oft über Mittelsmänner in der Türkei. Man gehe davon aus, dass die Terrororganisation Teile dieser Beträge einbehalte. Eine weitere Einnahmequelle sei Erpressung. Der IS verfügt demnach über ausreichende finanzielle Mittel, um Hilfszahlungen an die Witwen und Kinder getöteter Kämpfer fortzusetzen. Dadurch sicherten sich die Dschihadisten Loyalität und Unterstützung durch die nächste Generation.

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