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Kuba und die USA: Eine Hassliebe

20. Juli 2020

Nur fünf Jahre nach der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen herrscht zwischen Kuba und den USA wieder Eiszeit. Das Embargo ist härter denn je, Trump dreht die Uhren zurück. Chronologie der 60-jährigen Blockade.

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Die Flaggen Kubas und der USA an einem Haus in der Altstadt von Havanna
Die Flaggen Kubas und der USA an einem Haus in der Altstadt von HavannaBild: picture alliance/EFA/O. Barria

Es war Barack Obama, der den politischen Frühling mit Kuba einläutete. Der erste afroamerikanische US-Präsident sprach von einem "Neuanfang nach Jahrzehnten des Misstrauens", lockerte die Reisebeschränkungen für Exil-Kubaner und die Vorschriften für Geldtransfers.

Beim Amerika-Gipfel 2015 gab es ein erstes direktes Gespräch zwischen beiden Staatschefs. Obama ließ Kuba von der US-Terrorliste streichen, die diplomatischen Beziehungen wiederherstellen, und sogar die US-Botschaft in Havanna durch Außenminister John Kerry wiedereröffnen.

Im März 2016 landete Obama zu einem dreitägigen Besuch in der Hauptstadt Havanna, Raúl Castro forderte als nächsten Schritt eine vollständige Aufhebung des US-Embargos. Doch dazu kam es nicht.

Im Gegenteil: Am 8. November 2016, zwei Wochen bevor Fidel Castro im Alter von 90 Jahren starb, gewann Donald Trump die Präsidentschaftswahlen in den USA - und drehte die Uhren wieder zurück. Kuba steht wieder auf einer US-Liste von "Terrorstaaten", die USA erschweren die sogenannten "Remesas", die Geldüberweisungen der im Ausland lebenden Kubaner an ihre Familien, oder behindern die Lieferung von gerade in Corona-Zeiten lebenswichtigen Medikamenten.

Vor 60 Jahren ging es bei dem Embargo "nur" um Zucker. Der damalige US-Präsident Dwight D. Eisenhower drosselte die Einfuhr von Kubas wichtigstem Exportgut und riet US-Bürgern von Reisen nach Kuba ab. Am 3. Januar 1961 brechen die USA die diplomatischen Beziehungen zu Kuba ganz ab.

Am 21. März 2016 trifft Barack Obama Kubas Staatschef Raúl Castro in Havanna
Aufbruch: Am 21. März 2016 besucht Barack Obama Raúl Castro in HavannaBild: Reuters/J. Ernst

Desaster in der Schweinebucht

Washington war überzeugt, mit dem Embargo Fidel Castro und seine Revolutionäre innerhalb kürzester Zeit in die Knie zwingen zu können. Doch die Prognose erwies sich als falsch. Eisenhowers Nachfolger John F. Kennedy schlitterte kurz nach seinem Amtsantritt in das Schweinebucht-Desaster. Am 17. April 1961 versuchte eine Söldnertruppe von Exilkubanern mit Hilfe des US-Geheimdienstes CIA, Castro zu stürzen. Kubas Revolutionsarmee schlug die dilettantisch vorbereitete Invasion zurück.

Ein Jahr später, am 24. März 1962, setzte Kennedy ein komplettes Wirtschaftsembargo gegen Kuba durch. Der Konflikt mit der Sowjetunion spitzte sich derweil zu, die Welt stand wegen der Kubakrise am Rande eines atomaren Dritten Weltkriegs.

Der US-Präsident antwortete mit einer Seeblockade auf die Stationierung sowjetischer Raketen auf Kuba, Präsident Nikita Chruschtschow ließ die Raketen nach Verhandlungen wieder abziehen - unter der Bedingung, dass die USA nicht in Kuba einmarschieren.

Ein US-Aufklärungsflugzeug fliegt über das US-Kriegsschiff Barry (vorne) und den sowjetischen Frachte Anosow
Kubakrise: Ein US-Aufklärungsflugzeug fliegt über das US-Kriegsschiff Barry (vorne) und den sowjetischen Frachte AnosowBild: picture-alliance/dpa

Annäherung unter Jimmy Carter

Um das Embargo wurde es in den kommenden 15 Jahren ruhig. Erst 1977 brachte ein früherer Erdnussfarmer wieder ein wenig Bewegung in die Beziehungen zwischen den USA und Kuba. Jimmy Carter lockerte die Reisebestimmungen und eröffnete in Havanna eine sogenannte Interessenvertretung. Auch Kuba wählte diesen Ausdruck und bezog ein Büro in Washington.

Der Demokrat Carter war noch Präsident, als tausende Kubaner die peruanische Botschaft in Havanna besetzten. Fidel Castro genehmigte die Ausreise. Von April bis Oktober 1980 flohen 125.000 Kubaner nach Florida - in überfüllten Booten und ganz legal. Die größte Massenflucht aus Kuba ging als Mariel-Bootskrise in die Geschichte ein - weil die Kähne vom Hafen Mariel nahe der Hauptstadt los schipperten.

Kubas ächzt unter "Sonderperiode"

Eine Dekade später hatten sich die Voraussetzungen in dem Konflikt grundlegend geändert: Der Eiserne Vorhang war gefallen, der Kalte Krieg beendet, die kubanische Schutzmacht Sowjetunion zusammengebrochen. Kuba ächzte unter der sogenannten "Sonderperiode": Stromausfälle häuften sich, Fabriken schlossen, Versorgungsengpässe waren an der Tagesordnung. Die kubanische Wirtschaft schrumpfte zwischen 1989 und 1992 um die Hälfte.

Georg Bush, Nachfolger von Ronald Reagan, witterte die Chance, Kuba endgültig die Luft abzuschnüren. Der Kongress verabschiedete 1992 den "Cuban Democracy Act". US-Firmen in Drittländern durften nicht mehr mit Kuba handeln, die meisten Charterflüge zwischen Miami und Havanna wurden verboten. Bush durfte auch Staaten Hilfsmittel streichen, wenn diese mit Kuba kooperieren. Immerhin: Briefe nach Kuba schreiben durfte man weiter, und auch telefonieren war kein Problem.

Kubanische Bootsflüchtlinge werden von der US-Küstenwacht gerettet
Während der "Balsero"-Krise 1994 werden viele kubanische Bootsflüchtlinge von der US-Küstenwacht gerettetBild: picture alliance/dpa

Die "Balsero"-Krise

Ein Jahr später forderte die UN-Vollversammlung die USA mit 88 Stimmen und 57 Enthaltungen auf, das Embargo endlich aufzuheben. Es gab vier Gegenstimmen, eine natürlich aus Washington.

Weil 1994 tausende Kubaner auf die Straße gingen, um gegen die schwierigen Lebensumstände zu demonstrieren, griff Castro erneut zum Ventil der Massenauswanderung, um die Lage zu beruhigen. 33.000 Kubaner flohen mit selbstgebauten Flößen in die USA. Auf spanisch hießen diese "Balsas", deswegen gilt dieser Exodus als "Balsero"-Krise.

Washington sagte daraufhin zu, jährlich 20.000 Visa für kubanische Einwanderer auszustellen. Im Mai 1995 bekam diese Politik einen ganz speziellen Namen: "Nasser Fuß, trockener Fuß": Erreicht ein kubanischer Flüchtling die USA, quasi trockenen Fußes, darf er bleiben. Wird er dagegen, nassen Fußes, auf offener See aufgebracht, geht es zurück nach Kuba.

Clinton unterzeichnet Helms-Burton-Act

US-Präsident Bill Clinton wollte eigentlich das Embargo ent- und nicht verschärfen und kündigte an, sein Veto gegen das bereits vom Kongress verabschiedete Helms-Burton-Gesetz einzulegen. Doch dann schoss Kuba zwei US-Zivilflugzeuge mit vier Exilkubanern an Bord ab, und Clinton unterzeichnete das Gesetz 1996.

Clintons Nachfolger George W. Bush verschärfte 2004 erneut die Reisebeschränkungen: In den USA lebende Kubaner oder US-Bürger mit kubanischer Abstimmung durften ihre Verwandten nur noch alle drei Jahre statt wie bisher jährlich besuchen.

Bei einer Kundgebung im Juni 2017 zeigen Exilkubaner in Miami ihre Unterstützung für US-Präsident Donald Trump
Bei einer Kundgebung im Juni 2017 zeigen Exilkubaner in Miami ihre Unterstützung für US-Präsident Donald TrumpBild: Reuters/B. Woodall

Im Jahr 2008 trat Revolutionsführer Fidel Castro kraftlos und abgekämpft als Präsident ab und überließ Bruder Raúl das Feld. Die Vereinten Nationen stimmten erneut für eine Ende des US-Embargos. Nun waren es nur noch drei Länder, die dagegen waren: darunter wieder die USA, welche die Abstimmung aber wenig beeindruckte. Schließlich war die Entscheidung nicht bindend.

Als Raúl Castro und Barack Obama sieben Jahre später, am 20. Juli 2015, die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Kuba und den USA ankündigten, weckten die beiden Staatschefs enorme Hoffnungen. Die folgende schrittweise Annäherung galt als eine der großen Errungenschaften der Ära Obama. Doch unter U-Präsident Trump fand diese Entwicklung mit der Verhängung neuer Sanktionen ein jähes Ende.