In Paris haben sich am Abend Hunderte Menschen am Tatort des Terroranschlags versammelt, bei dem ein islamistischer Gewalttäter einen Geschichtslehrer auf der Straße enthauptet hatte. Sie gedachten vor der Schule im Pariser Vorort Conflans-Sainte-Honorine des Opfers.

Auch in anderen Städten gingen Franzosen auf die Straßen, um ein Zeichen gegen extremistischen Terror zu setzen. Die öffentliche Anteilnahme dürfte noch erstarken, nachdem die Redaktion des Satiremagazins Charlie Hebdo, die Organisation SOS Racisme sowie Lehrergewerkschaften für Sonntagnachmittag zu einer Demonstration in Paris aufgerufen haben. Landesweit sind ähnliche Solidaritätsveranstaltungen am Sonntag geplant, darunter auch in Bordeaux und Marseille.

Bei dem Attentat am späten Freitagnachmittag war nach bisherigen Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft ein 18-jähriger Russe tschetschenischer Herkunft in der Nähe des Schulgebäudes auf den 47 Jahre alten Lehrer losgegangen – seine Leiche wurde enthauptet mit zahlreichen Wunden an Oberkörper und Kopf aufgefunden. In der Nähe des Tatorts fanden die Ermittler ein rund 30 Zentimeter langes blutverschmiertes Messer. Die Polizei hat inzwischen zehn Menschen im Zusammenhang mit der Tat festgenommen.

Kurz nach der Tat stellten Polizisten den mutmaßlichen Angreifer und erschossen ihn.

Der zuständige Staatsanwalt Jean-François Ricard informierte zum vermutlichen Hintergrund der Tat. Demnach lebte der mutmaßliche Angreifer seit zwölf Jahren in Frankreich. Der in Moskau geborene Angreifer habe keine bekannten Beziehungen zu Russland. Er sei als Flüchtling nach Frankreich gekommen und habe seit diesem Frühjahr eine Aufenthaltsgenehmigung gehabt.

Der Polizei sei er wegen krimineller Delikte bekannt gewesen, für die er jedoch nicht verurteilt worden war. Bisher sei er jedoch nicht als ein möglicher radikalisierter Islamist aufgefallen.

Wie die Staatsanwaltschaft mitteilte, seien dem Angriff aber bereits Drohungen gegen den Lehrer und die Schule vorausgegangen. Der Lehrer hatte Anfang Oktober das Thema Meinungsfreiheit aufgegriffen und im Rahmen des Unterrichts über das Satiremagazin Charlie Hebdo gesprochen, das vor einigen Jahren und jüngst erneut Mohammed-Karikaturen veröffentlicht hatte und deshalb selbst Ziel eines blutigen Anschlags wurde. Der Lehrer zeigte im Unterricht entsprechende Karikaturen.

Vater stritt mit dem Lehrer

Der Vater eines Schülers soll sich anschließend bei der Schulleitung und im Internet darüber beschwert haben, dass der Lehrer seinen Schülern Nacktkarikaturen des Propheten Mohammed gezeigt habe. Medien berichten, dass der Vater in Begleitung eines bekannten Islamisten in der Schule aufgetaucht sei. Beide sind inzwischen in Polizeigewahrsam. Die Halbschwester des Vaters, die ebenfalls festgenommen wurde, soll nach Angaben der Staatsanwaltschaft für die Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) nach Syrien gezogen sein.

Ob der in Évreux lebende mutmaßliche Angreifer einmal Schüler an der Schule des Opfers gewesen war, gab die Staatsanwaltschaft nicht bekannt. Augenzeugen sagten, der Täter habe nach der Tat "Gott ist groß" auf Arabisch gerufen.

Ermittler fanden später auf einem Mobiltelefon in der Nähe des erschossenen Russen eine Twitter-Botschaft mit dem Foto des enthaupteten Opfers und einer Nachricht, die Frankreichs Präsident Emmanuel Macron als "Anführer der Ungläubigen" bezeichnete und ankündigte: "Ich habe einen Ihrer Höllenhunde hingerichtet, der es wagte, Mohammed herabzusetzen." Twitter hatte den Post entfernt und den entsprechenden Account, der dem 18-Jährigen gehörte, gesperrt.

Tunesischer Abgeordneter verherrlicht die Tat

Frankreichs Präsident Macron wertete den Vorfall "eindeutig" als "islamistischen Terroranschlag". Die Anti-Terror-Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Mordes in Verbindung mit einem Terrorakt und wegen einer "kriminellen terroristischen Vereinigung".

Indes hat die Staatsanwaltschaft in Tunesien eine Untersuchung gegen einen Parlamentarier eingeleitet, der das Attentat in Paris öffentlich verherrlicht hatte. "Den Gesandten Gottes zu beleidigen", sei "das größte Verbrechen", schrieb der unabhängige tunesische Abgeordnete Raschid Chiari am Samstagmorgen auf seiner Facebook-Seite. Wer es begehe, müsse die Konsequenzen tragen.

Man werde gegen Chiari aufgrund seiner Aussagen ermitteln und seinen Posten im Parlament prüfen, sagte der stellvertretende Staatsanwalt und Gerichtssprecher in Tunis, Mohsen Dali, nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Tap. Bei dem Beitrag Chiaris handele es sich ohne Frage um die Verherrlichung einer terroristischen Tat.

Anmerkung der Redaktion 18. Oktober 13:42 Uhr: In einer früheren Version wurde der mutmaßliche Täter im Vorspann verkürzt und fälschlich als "Russe" bezeichnet. Er ist Bürger der autonomen Republik Tschetschenien in Russland, wir haben das entsprechend geändert.