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Meinung Mord an Samuel Paty

Die Tat von Paris ist auch ein Fanal für uns

Freier Autor
Macron bezeichnet Tat als „islamistischen Terroranschlag“

In einem Vorort von Paris wurde ein Geschichtslehrer vor einer Schule getötet. Der 18-jährige mutmaßliche Angreifer wurde von Polizisten erschossen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron spricht von einem Angriff auf die Meinungsfreiheit.

Quelle: WELT/Lea Freist

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Der Mord an dem Lehrer Samuel Paty geht nicht etwa nur Frankreich etwas an. Er zeigt, zu was islamistischer Rassismus in der Lage ist. Wann stellt die deutsche Linke sich dieser Realität?

Ganz Frankreich steht auf, um gegen die Ermordung des Lehrers Samuel Paty zu protestieren. In Deutschland herrscht Ruhe. Dabei zielte der islamistische Terrorakt im Nachbarland auch gegen die Meinungsfreiheit bei uns. Eine Freiheit, die längst nur noch auf dem Papier existiert.

Samuel Paty starb, weil er den Mut hatte, etwas zu tun, was selbstverständlich sein sollte, aber auch in deutschen Schulen und Medien nicht mehr selbstverständlich ist: das Für und Wider radikaler Religionskritik zu diskutieren.

In diesen Zeiten der Cancel Culture gibt es erhitzte Diskussionen darüber, was wer noch über wen sagen kann und soll. Dabei spielt selten eine Rolle, dass Islamisten ohne Diskussion, sondern mit Terror längst ihre Ziele durchgesetzt haben. Seit der Fatwa der iranischen Machthaber gegen Salman Rushdie vor 31 Jahren überlegt sich jede Autorin zweimal, ob sie einen islamkritischen Roman schreiben soll.

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Das Beispiel hat Schule gemacht: Man denke an die Reaktionen auf die dänischen Mohammed-Karikaturen 2005, einschließlich der Terrorattacken gegen den Karikaturisten Kurt Westergaard; an den Terroranschlag gegen die Redakteure von „Charlie Hebdo“ 2015; nun Samuel Paty.

Wer eine dumme Bemerkung über Schwule macht, riskiert einen Shitstorm in den sozialen Medien. Wer aber wie Paty auch nur den Gedanken zulässt, der Prophet des Islam dürfe kritisiert werden, riskiert sein Leben. Längst hat die überwältigende Mehrheit bei uns die Lehren daraus gezogen. Wir sind keine liberale Gesellschaft mehr.

Samuel Paty bot seinen muslimischen Schülern und Schülerinnen an, der Unterrichtsstunde, in der er die Mohammed-Karikaturen von „Charlie Hebdo“ behandeln wollte, fernzubleiben. Wo hätte es eine solche Rücksicht gegen andere Gruppen gegeben? Doch immer wieder hört man von Lehrern und Lehrerinnen, die Themen meiden, die bei muslimischen Kindern und Eltern Missmut und Schlimmeres hervorrufen könnten. Nicht in erster Linie aus Rücksicht auf die Gefühle einer Minderheit, sondern aus Angst.

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Islamistische Terroranschläge, so entsetzlich sie sind, steckt die demokratische Gesellschaft weg. Städte wie New York, London, Mumbai, Madrid, Paris oder Berlin sind resilient. Ihre Bewohner lassen sich von einem Risiko, das rein statistisch gesehen klein ist, nicht auf Dauer imponieren.

Anders ist es mit gezielten Attacken gegen bestimmte Personengruppen. Den Islamisten ist es bereits gelungen, einen Exodus der Juden aus Frankreich in Gang zu setzen. Medienschaffende und Lehrende üben Selbstzensur. Es reicht ein Mordanschlag, um Tausende einzuschüchtern. Die Politik beschwört die Freiheit, aber der individuelle Terror lässt die Beschwörungen wie Hohn klingen. Lehrerinnen haben keinen Personenschutz.

Hinzu kommt: Wer will schon als Märtyrer einstehen für eine Sache, die nicht als die der ganzen demokratischen Gesellschaft begriffen wird? Wenn Kritik am Christentum Teil unserer aufklärerischen Tradition ist, aber Kritik am Islam als antimuslimischer Rassismus gilt: Wer will schon als Rassist dastehen?

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Wenn die Freiheit der Religionsausübung – einschließlich einiger Praktiken, die von der Mehrheit nicht gutgeheißen werden – zu Recht als hohes Gut geachtet wird, die selbstverständlich auch für Muslime gelten muss, die Freiheit der Religionskritik aber nur noch auf der Rechten verteidigt wird, wenn sie den Islam betrifft: Wer will sich schon mit Leuten gemein machen, die ihrerseits nicht wahrhaben wollen, dass der Islam zu Deutschland gehört? Die Feinde der Freiheit nutzen die Spaltung der Gesellschaft. Nur wer beides – die Religionsfreiheit und die Freiheit der Religionskritik – verteidigt, kann den Dunkelmännern wirksam begegnen.

Organisationen wie den „Muslimbrüdern“ geht es nämlich zuallererst darum, unter europäischen Muslimen selbst gemäß der Theorie des Marxisten Antonio Gramsci die ideologische Hegemonie zu errichten und deren Verwestlichung, Liberalisierung und Säkularisierung rückgängig zu machen. Längst können sie dank Internet und Satelliten-TV ihre Propaganda in den Wohnzimmern verbreiten. Die Schulen bilden – noch – eine Bastion der liberalen Gesellschaft.

Die Wehrhaften werden des Rassismus verdächtigt

Um das zu ändern, geht man arbeitsteilig vor: Terroristen erledigen die Drecksarbeit. Akademiker aber, die in der Lage sind, sich vom Terror zu distanzieren, arbeiten am schlechten Gewissen besonders der westlichen Linken, mit Studien und Konferenzen zu Islamophobie oder antimuslimischem Rassismus, während sie den muslimischen Antisemitismus und Rassismus herunterspielen oder leugnen, ja, die Muslime zu den neuen Juden erklären und die israelbezogene Judenfeindschaft fördern.

Wehret den Anfängen, hieß es früher. Heute werden die Wehrhaften des Rassismus verdächtigt. Als ein Mitglied des Türkischen Elternbundes Hamburg die Deutschen als „Köterrasse“ bezeichnete, spielte die Akademikerin Yasemin Shooman den Vorfall mit einem bedenklichen Argument herunter.

Sie wolle zwar „solche Haltungen nicht verharmlosen“, schrieb sie in einem Zeitschriftenartikel. Doch sollte man „Deutschenfeindlichkeit“ nicht als Form des Rassismus bezeichnen, weil „diejenigen, von denen diese Angriffe ausgehen, nicht über die gesellschaftliche Macht verfügen, ihre Ressentiments dahin gehend durchzusetzen, dass sie die Opfer, die zur Gruppe der Etablierten gehören – in diesem Fall also weiße Deutsche –, auf eine untergeordnete soziale Stellung verweisen könnten.“ Shooman ist nicht irgendwer, sondern Wissenschaftliche Geschäftsführerin des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung und Mitglied des von Horst Seehofer einberufenen „Expertenrats Muslimfeindlichkeit“.

Angst im Klassenzimmer

Der weiße Franzose Samuel Paty, der „zur Gruppe der Etablierten“ gehörte, wurde nicht auf eine „untergeordnete soziale Stellung“ verwiesen, sondern ermordet. In Tausenden Klassenzimmern geht die Angst um. Nicht bei den Schülern, sondern bei den Lehrern, die „zur Gruppe der Etablierten gehören“.

Auf vielen deutschen Schulhöfen sind Juden, ob sie „zur Gruppe der Etablierten“ gehören oder nicht, unerwünscht. Die Freiheit stirbt scheibchenweise, indem Fanatiker Stück für Stück Meinungshoheit und „gesellschaftliche Macht“ erringen, oft unterstützt von denjenigen, die Lenin „nützliche Idioten“ nannte.

Um es klar zu sagen: Es gibt antimuslimischen Rassismus, es gibt Ausgrenzung und Terror gegen Muslime. Das ist eine Schande für Deutschland. Es gibt aber auch den islamistischen Rassismus und Terror, der die Demokratie bedroht. Es ist weder links noch progressiv, weder akademisch redlich, moralisch geboten oder im Interesse der Muslime, das zu leugnen oder nicht beim Namen zu nennen. Vor allem die Linke muss sich hier ehrlich machen und von Frankreich lernen.

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