Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat den "islamistischen Terroranschlag" von Nizza mit drei Toten verurteilt. Er sagte am Nachmittag bei einem Besuch in der Küstenstadt, das Land werde im Streit mit muslimischen Ländern um seine Werte "nicht klein beigeben". Zugleich kündigte der Staatschef den Einsatz von 7.000 Antiterrorkräften der Armee an, das sind mehr als doppelt so viele wie bisher.

Der Täter war der Polizei zufolge gegen neun Uhr morgens in die katholische Kirche im belebten Stadtzentrum von Nizza eingedrungen. Mit einem Messer tötete er den Küster und eine Frau, eine weitere Frau konnte sich zunächst in eine Bar flüchten, wo sie aber ihren Verletzungen erlag. Die Tat löste international Bestürzung aus. Vorausgegangen waren massive Proteste und Drohungen gegen Frankreich in muslimischen Ländern.

Nizzas Bürgermeister Christian Estrosi sagte, alles deute auf einen islamistischen Anschlag hin. Der mutmaßliche Täter rief nach seinen Angaben mehrfach "Allahu akbar" (Gott ist groß), bevor ihn die Polizei mit Schüssen verletzte und festnahm. Die französische Antiterrorstaatsanwaltschaft zog die Ermittlungen an sich.

Bei dem mutmaßlichen Attentäter handelt es sich nach Angaben der Ermittler um einen 21-jährigen Tunesier. Der Mann sei Ende September über die italienische Insel Lampedusa in die EU gelangt und anschließend nach Frankreich gekommen, hieß es. Er habe kein Asyl beantragt.

Die tunesische Staatsanwaltschaft  nahm Ermittlungen auf, wie der stellvertretender Staatsanwalt und Gerichtssprecher in Tunis, Mohsen Dali,  sagte. Für den Fall, dass die Justizbehörden um Zusammenarbeit bitten, stehe man zur Verfügung. Das tunesische Antiterrorgesetz schreibe die Strafverfolgung jedes Tunesiers vor, der an einer terroristischen Handlung innerhalb oder außerhalb des Landes beteiligt war, sagte Dali.

Frankreichs Regierungschef Jean Castex verurteilte die "ebenso feige wie barbarische Tat, die das ganze Land in Trauer versetzt". Präsident Macron verschaffte sich persönlich in Nizza ein Bild von der Lage, er will am Freitag mit dem Sicherheitskabinett beraten.

Angela Merkel zeigt sich "tief erschüttert"

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) äußerte sich "tief erschüttert über die grausamen Morde in einer Kirche". Bundesinnenminister Seehofer warnte nach dem Anschlag auch vor der Terrorgefahr in der Bundesrepublik: "Auch in Deutschland besteht die Gefahr durch den islamistischen Terrorismus unverändert fort – das hat uns erst kürzlich der Mord von Dresden auf schmerzliche Weise wieder vor Augen geführt", sagte der CSU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur.

Über den Angriff in Frankreich zeigte sich Seehofer bestürzt. "Erneut sind unsere Freunde innerhalb kürzester Zeit von mutmaßlich islamistischen Verbrechern angegriffen worden. Mein Mitgefühl gilt allen Opfern und Hinterbliebenen", sagte Seehofer. "Wir stehen Frankreich solidarisch zur Seite und setzen unseren gemeinsamen Kampf gegen den Islamismus mit aller Entschiedenheit fort. Unsere gemeinsamen Werte verteidigen wir im engen Schulterschluss mit unseren europäischen und internationalen Partnern."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verurteilte den Anschlag als "Akt abscheulicher Gewalt". Der Gewalt und den offenbar islamistischen Motiven müsse mit aller Entschiedenheit entgegengetreten werden. "Zugleich dürfen wir uns die Logik des Hasses und der Spaltung nicht aufzwingen lassen, die jene antreibt, die solche Taten begehen und zu ihnen anstiften."

"Die offene, plurale Gesellschaft ist dann stark, wenn sie ihr Zusammenleben auf Respekt, nicht auf Herabwürdigung gründet, auf Anerkennung und Einbeziehung, nicht auf Stigmatisierung und Ausgrenzung", sagte Steinmeier. "Diese Anstrengung müssen wir unternehmen." Deutschland stehe in diesem Kampf und in dieser Anstrengung "fest an der Seite Frankreichs", sagte der Bundespräsident.

Am Abend versammelten sich rund 150 Menschen vor der französischen Botschaft in Berlin und gedachten der Opfer. Dabei waren unter anderem die SPD-Vorsitzende Saskia Esken, Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD), FDP-Chef Christian Lindner, CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak und der Grünen-Politiker Cem Özdemir. Der FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle hatte auf Twitter dazu aufgerufen, "um die Opfer des islamistischen Terrors in Paris, Dresden und Nizza zu betrauern".

Trump sagt Frankreich Unterstützung zu

US-Präsident Donald Trump sagte Frankreich die Unterstützung der Vereinigten Staaten zu. Mit Blick auf den mutmaßlichen Terrorakt schrieb Trump auf Twitter: "Diese radikalislamistischen Terrorangriffe müssen sofort aufhören". Die USA stünden Frankreich "in diesem Kampf" zur Seite, schrieb er weiter. "Unsere Herzen sind bei den Menschen in Frankreich."

Die Türkei verurteilte nach tagelangen diplomatischen Spannungen mit Frankreich ebenfalls den "grausamen" Angriff. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hatte Macron noch zu Wochenbeginn beschuldigt, eine "Hasskampagne" gegen den Islam zu führen.

Die Proteste in mehreren muslimischen Ländern hatten sich an Macrons jüngsten Äußerungen zu den Mohammed-Karikaturen entzündet. Der Staatschef verteidigte die Karikaturen im Namen der Meinungsfreiheit, nachdem ein mutmaßlicher Islamist bei Paris einen Lehrer enthauptet hatte. Dieser hatte die Karikaturen im Unterricht gezeigt.

Höchste Terror-Warnstufe in Frankreich

Wegen des neuerlichen Anschlags rief Frankreich die höchste Terror-Warnstufe aus. Sie ermöglicht der Regierung einen massiven Einsatz der Antiterrorkräfte der Armee und verschärfte Kontrollen an den Grenzen. Nach dem Angriff gab es mehrere Festnahmen. Unter anderem wurde in Lyon ein Afghane mit einem Messer festgenommen, in Avignon wurde ein Mann mit einer Schusswaffe verhaftet. Verletzte gab es dabei nicht.

Macron kündigte zudem an, den Schutz von französischen Einrichtungen im Ausland zu verstärken, nachdem auch ein französisches Konsulat in Saudi-Arabien angegriffen worden war.

Die katholische Kirche Frankreichs erklärte, Christen dürften in dem Konflikt mit Muslimen nicht "zum symbolischen Schlachtopfer werden". In ganz Frankreich läuteten um 15 Uhr die Glocken im Gedenken an die Opfer. Auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, äußerte sich entsetzt und "sprachlos".

Die Tat erinnert viele Franzosen an das Attentat von Nizza vor vier Jahren, bei dem ein Islamist am französischen Nationalfeiertag mit einem Lastwagen in eine Menschenmenge raste und 86 Menschen tötete.