Nach der islamistisch motivierten Ermordung des französischen Geschichtslehrers Samuel Paty fordert der Deutsche Lehrerverband eine bundesweite Bestandsaufnahme zum Umgang mit islamistischen Tendenzen an Schulen. Verbandschef Heinz-Peter Meidinger schlug dazu eine "anonymisierte Umfrage bei allen Lehrkräften" vor.

Der Deutsche Lehrerverband, der nach eigenen Angaben die Interessen von 160.000 Lehrkräften vertritt, spricht von einem Tabuthema, über das sich viele Lehrer nicht offen äußerten, auch weil sie sich der Rückendeckung durch Schulleitung und Politik oft nicht sicher seien. Ihn habe der jetzt veröffentlichte interne Emailverkehr im Lehrerkollegium von Samuel Paty, der zeige, dass auch Kolleginnen und Kollegen dem Mordopfer in den Rücken gefallen seien, erschüttert, sagte Meidinger. "Ich hoffe, dass das in Deutschland anders ist."

Meidinger bemängelte, dass es hierzulande an Unterstützungsangeboten für Schulen und Pädagogen durch ausgebildete Experten fehle. Zudem sprach er sich für die Einrichtung von Ombudsstellen aus, "an die sich betroffene Lehrkräfte auch jenseits des Dienstwegs jederzeit vertraulich wenden können".

Die Ermordung Patys Mitte Oktober hatte auch in Deutschland erneute Diskussionen über den Umgang mit muslimischen Schülern angestoßen, die aus streng konservativen oder extremistischen Elternhäusern kommen oder sich in einzelnen Moscheegemeinden oder über das Internet radikalisiert haben.

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) hatte sich dafür ausgesprochen, entschlossen gegen den Islamismus vorzugehen. "In bestimmten Gruppen gibt es sehr starke Familienbande, die mit religiös geprägten Traditionen und Weltbildern einhergehen." Giffey forderte, diesen Tendenzen mutig entgegenzutreten. Das gelte für den Schwimm- und Sportunterricht ebenso wie für den Geschichtsunterricht. "Wenn im Lehrplan der Holocaust als Thema vorgesehen ist, dann darf es da keine Kompromisse geben", sagte Giffey. Lehrkräfte hatten zuletzt beklagt, dass der Druck durch muslimische Schülerinnen und Schüler zunehme, Themen wie Antisemitismus nicht im Unterricht zu behandeln.