Coronavirus-Pandemie & Bundeswehr: Deutsches Kontigent bei EUTM Mali nicht mehr einsatzbereit (Update)
Erstmals hat die Coronavirus-Pandemie eine Auslandsmission der Bundeswehr praktisch lahmgelegt. Nach mehreren bestätigten Covid-19-Infektionen und vorsorglicher Isolation von Kontaktpersonen sei bei der EU-Trainingsmission in Mali (EUTM Mali) für die deutschen Soldaten der Auftrag vorläufig nicht ausführbar, teilte das Einsatzführungskommando der Bundeswehr mit. Im Afghanistan-Einsatz gab es einen weiteren bestätigten Infektionsfall.
Bereits in den vergangenen Tagen hatte die Bundeswehr von bestätigten Infektionen im Bundeswehrkontingent bei EUTM Mali berichtet, so von zwei Fällen am 2. Dezember und einem weiteren positiven Test am (gestrigen) Samstag. Update: Am (heutigen) Sonntag kamen zwei weitere Fälle hinzu, damit gibt es fünf aktuell bestätigte Infektionen im deutschen Kontingent.
Insgesamt befinden sich außerdem knapp 1/3 der deutschen Soldaten in Isolation. Deshalb ist der Auftrag vorläufig nicht ausführbar.
erklärte die Bundeswehr via Twitter.
Zuvor waren die meisten bestätigten Infektionen im militärischen Hauptqartier der EU-Mission in Bamako festgestellt worden. Inzwischen gibt es zwei bestätigte Fälle im Trainingszentrum in Koulikoro außerhalb der malischen Hauptstadt. Bereits in der vergangenen Woche hatte die Führung der EU-Mission vorsorglich Besuche aus dem Hauptquartier in Koulikoro untersagt. In dem Führungselement in Bamako waren neben deutschen Soldaten auch etliche Soldaten aus anderen Nationen der EU-Mission positiv auf Covid-19 getestet worden.
Am gestrigen Samstag hatte das deutsche Kontigent in einer Sofortmeldung mitgeteilt, dass Einsatzbereitschaft und Auftragserfüllung des deutschen Einsatzkontigents EUTM Mali nicht mehr gegeben seien. Mit weiteren 21 Soldaten, die in Quarantäne seien, seien auch die Kapazitäten für die isolierte Unterbringung ausgeschöpft.
Derzeit besteht das deutsche Kontingent bei EUTM Mali aus knapp 80 Soldatinnen und Soldaten, von denen offensichtlich mindestens 25 infiziert oder in Quarantäne sind. Erst Anfang Dezember hatte die EU-Ausbildungsmission in dem westafrikanischen Land nach monatelanger Unterbrechung wegen der Pandemie wieder den Ausbildungsbetrieb hochgefahren. Zunehmend soll das Training an anderen Orten als Koulikoro erfolgen, zum Beispiel in Sevaré, wo mit deutscher Finanzierung ein neues Zentrum errichtet worde. Dort sind bislang vier deutsche Soldaten im Einsatz.
Unterdessen wurde auch im Afghanistan-Einsatz ein weiterer deutscher Soldat positiv auf das Virus getestet. In der Resolute Support Mission hatte es in den vergangenen Wochen unter den deutschen Soldatinnen und Soldaten mehrfach bestätigte Infektionen gegeben.
(Archivbild Oktober 2019: Deutscher Ausbilder in Koulikoro)
Sind Auswirkungen auf den Kontingentwechsel bekannt?
Soldaten dorthin schicken, wo die Gefahr und Wahrscheinlichkeit einer Infektion derzeit so hoch sind, sollte man überdenken solange es sich nicht beruhigt.
Parallel dazu hat Covid-19 den österreichischen Fliegerhorst Zeltweg lahmgelegt, wie schon im November den Fliegerhorst Neuburg. Es fragt sich, welche Pläne die Verantwortlichen in der Schublade haben, sagen wir, für den Spannungsfall.
Oder wenn der Katastrophenfall ausgerufen wird und man Manpower braucht, und sei es wegen einer Oderflut. Unter solchen Umständen müssten wohl alle nicht gesundheitlich beeinträchtigten Soldaten einrücken, und auch Quarantänezeiten könnte man nicht mehr einhalten.
Ich möchte mal an die Kommentare erinnern, die am Anfang der Pandemie hier in Bezug auf Corona und Einsatzbereitschaft aufgetaucht sind. So von wegen – „alles nicht so schlimm“ – „die Quarantäne vor dem Einsatz im Hotel ist völlig unnötig“ und ähnliche Meldungen.
So schnell kann es eben doch passieren, dass die Einsatzbereitschaft nicht nur leidet – sondern faktisch nicht mehr existiert.
Wenn auch hoffentlich nur für ein paar Tage, so ist dies ein schwerwiegender Einschnitt bei einer Auslandsmission und zum Glück nur bei EUTM passiert und nicht bei MINUSMA.
@Muck
Ich beiden Fällen (Katastrophenfall, Spannungsfall, und erst recht im V-Fall) ist es eine reine Abwägung der Hinnahme von bestehenden Risiken durch den oder die Entscheidungsträger.
Und dann wird – wenn der dringende Bedarf an Man Power oder expliziten Fachkräften – eintritt, eine mögliche Infektion mit irgendeinem Virus und dessen mögliche Weitergabe im Zweifel schlicht in der Priorität hinten anstehen.
Gleiches gilt dann auch für die Wahrnehmung von anderen Aufgaben innerhalb der Bundeswehr oder der Gesellschaft, die werden dann schlicht reduziert oder fallen halt weg.
Pläne dafür kann man jedoch nur begrenzt und abstrakt machen, weil stark situationsabhängig.
Gibt es Hinweise wo/wie sich die betroffenen Kameradinnen und Kameraden infizierten? Liegt der Infektionsherd im Kontingent oder erfolgten die Infektionen durch Kontakt zu den Partnern und/oder Auszubildenden vor Ort. Gerade vor dem Hintergrund der von @Luftikus angesprochenen Quarantäne scheint mir die Frage interessant.
@Becuvo:
Ich kenne die Situation vor Ort nur bis Mai, aber wenn sich nichts wesentliches geändert that, dann ist es nicht verwunderlich, wenn irgendwann die ersten Infektionen im Kontingent auftreten.
Ich behaupte, die Maßnahmen die wir treffen (Quarantäne davor, Hygienemaßnahmen im Kontingent, etc.) sind ausreichend, aber gegen die „unzureichenden“ Maßnahmen der Partner und das Risiko, welches von der Bevölkerung ausgeht (Ortskräfte, Lehrgangsteilnehmer, etc.) kann man sich nur bedingt schützen.
@Luftikus & @Fux
Ich glaube nicht, dass Covid-19 die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte ernstlich bedrohen kann, wenn man vom Frieden- in den Krisenbetrieb wechselt; die Problematik ist primär eine ethische, aber man wird wohl argumentieren können, dass Soldaten im Zweifelsfalle tolerieren müssen, einer Ansteckungsgefahr ausgesetzt zu werden.
Leider habe ich die Quelle jetzt nicht zur Hand, deswegen paraphrasiere ich lieber, als genaue Zahlen aus der Erinnerung vielleicht falsch wiederzugeben; aber blickt man auf die Situation auf der „Theodore Roosevelt“ im Frühjahr. zeigt sich hier vermutlich das Bild, das die Streitkräfte im Einsatz zu erwarten hätten.
Mehr als zwei Drittel der positiv getesteten Seeleute waren damals völlig beschwerdefrei. Vom letzten Drittel waren alle bis auf etwa 25 zu keiner Zeit so krank, dass sie ihren Dienst nicht mehr hätten verrichten können. Ein Besatzungsmitglied starb.
So tragisch der Todesfall ist, eine solche Situation war schon vor der Pandemie möglich, z.B. durch Noroviren. Damit muss das Militär leider umgehen können. Übrigens auch ermutigend in diesem Zusammenhang: Die Navy hat seit Jahren den höchsten Anteil an Fettleibigen und chronisch Kranken unter den Uniformed Services.
Trotz des höheren Anteils potentieller Risikopatienten ist man also mit einem blauen Auge davongekommen.
Die Kernfrage ist wirklich, welchen Gefahren die Gesellschaft bspw. ihre Soldaten aussetzen will.
Aber es geht ja auch um die Belastung des Sanitätswesen der Armee.
Natürlich wird der Großteil der Soldaten keine Beschwerden haben. Aber wenn im gesamten Kontigent Corona rumgeht, stecken sich fast alle an und dann ist das eine einfache mathematische Rechnung wie viele Patienten in das Feldlazarett kommen. (bei EUTM kein Problem, bei MINUSMA wahrscheinlich schon)
Nur ist man eben auf diese zusätzlichen Patienten, neben den anderen normalen Patienten (Unfälle, Beschwerden) nicht eingestellt und diese Coronapatienten „blockieren“ die Notfallkapazitäten (wenn ein starker Angriff passiert und übermäßig viele Verletzte entstehen).
Notfallkapazitäten sollten nur im Notfall belegt sein, also nur wenn nicht vermeidbar.
Der Begriff Notfallkapazität ist wahrscheinlich nicht der korrekte Begriff – ich meine halt die Reserve über den normalen Gebrauch. Und im normalen Gebrauch sind schon Unfälle und Angriffe einkalkuliert. (ich hoffe ich werde richtig verstanden :-) )
Ausfliegen ist auch nicht immer sofort möglich.
Mit den Gefahren ist das eine relative Sache. Die Fahrzeuge vor Ort müssen auch TüV haben und das hat auch seine Gründe. Also kann man jetzt nicht so tun, als wenn das eine normale Gefahr ist, die der Soldat halt eingehen muss. Da muss die Gesellschaft auch nicht befragt werden.
Wir befinden und in relativ sicheren Verhältnissen international – klar Streitigkeiten gibt es, aber kein 2. WK oder ähnliches.
Im Friedensbetrieb sollte der Soldat überhaupt keiner Gefahr ausgesetzt sein und im Auslandseinsatz nur den unbedingt notwendigen Gefahren (gegnerische Angriffe) und nicht noch zusätzlich vermeidbare Gefahren (unsichere Fahrzeuge, Arbeitsplatzsicherheit, Coronaviren).