Österreichs Kampf gegen den Terror: schärfere Waffen, aber kein Straftatbestand «Politischer Islam»

Das am Mittwoch präsentierte Gesetzespaket enthält eine stärkere Überwachung von Gefährdern und neue Gesetze gegen religiösen Extremismus. Die umstrittensten Vorschläge des rechten Regierungsflügels finden sich aber nirgends mehr.

Ivo Mijnssen
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Die grüne Justizministerin von Österreich, Alma Zadic, präsentiert am 16. Dezember 2020 in Wien das Gesetzespaket.

Die grüne Justizministerin von Österreich, Alma Zadic, präsentiert am 16. Dezember 2020 in Wien das Gesetzespaket.

Tobias Steinmaurer / Imago

Eineinhalb Monate nach dem Anschlag in Wien hat die Regierung am Mittwoch ein erstes Anti-Terror-Gesetzespaket vorgestellt. Die Konservativen der ÖVP und die Grünen einigten sich auf einen gutösterreichischen Kompromiss. Dieser verzichtet auf die verfassungsrechtlich problematischsten Gesetzesverschärfungen und vermeidet den Anschein, ausschliesslich auf den Islam gemünzt zu sein.

Überwachung statt Verwahrung

Umstritten war im Vorfeld vor allem die von der ÖVP geforderte Präventivhaft für Gefährder. Davon war am Mittwoch keine Rede mehr. Auch eine über ihre Haftzeit hinausreichende, unbegrenzte Verwahrung von Extremisten findet sich nicht unter den Verschärfungen. Über diese kontroverse Forderung der Konservativen wurde nach dem Anschlag intensiv diskutiert, da der islamistische Terrorist auf Bewährung entlassen worden war, sich aber aufgrund von Behördenfehlern mit Gesinnungsgenossen treffen konnte und sogar versuchte, in der Slowakei Munition zu kaufen.

Um solche Pannen in Zukunft zu verhindern, verstärkt die Regierung die Überwachung entlassener Extremisten durch eine Verlängerung der Probezeit und elektronische Mittel wie die Fussfessel. Ein Terrorregister, etwa zur Verhinderung von Waffenkäufen, soll ebenso eingeführt werden wie ein Koordinationsmechanismus zwischen Bewährungshelfern, Strafverfolgungsbehörden und Deradikalisierungsvereinen. Ausserdem gibt es zusätzliche Mittel für Präventionsprojekte in Schulen, Sportvereinen und der Jugendarbeit.

Streit um «Politischen Islam»

Obschon drei Regierungsmitglieder – neben der grünen Justizministerin Alma Zadic auch der Innenminister Karl Nehammer und die Integrationsministerin Susanne Raab von der ÖVP – das Paket in demonstrativer Harmonie präsentierten, schienen die Konflikte der letzten Wochen durch. So glaubten gut informierte Beobachter bis zuletzt, die Koalition werde einen Straftatbestand «Politischer Islam» schaffen. Diesen hatte Bundeskanzler Sebastian Kurz Mitte November angekündigt.

Doch die Grünen setzten sich mit ihrer Forderung durch, den Paragrafen religionsneutral zu formulieren, als «Religiös-motivierte extremistische Verbindung». Dies trug der Regierung seitens der rechtspopulistischen FPÖ zwar prompt den Vorwurf ein, das Paket sei reine Symbolpolitik und ein «Offenbarungseid der Hilflosigkeit». Juristisch dürfte die Klausel aber auf soliderem Grund stehen als ein Tatbestand, der sich explizit gegen den Islam richtet, wie jüngst auch das Urteil des Verfassungsgerichts gegen das Kopftuchverbot zeigte.

Die Integrationsministerin Raab, die migrationspolitisch für einen harten Kurs steht, betonte zwar, mit dem Paragrafen könne nun auch der «politische Islam» verfolgt werden. Doch offensichtlich ist es ihr nicht gelungen, diesen relativ vagen und kontroversen Begriff so weit zu spezifizieren, dass er in eine rechtlich einwandfreie Form gegossen werden konnte. Das ihr unterstellte Kultusamt erhält allerdings zusätzliche Befugnisse, um gegen extremistische Imame und Moscheen vorzugehen: So müssen sich neu alle Prediger registrieren lassen, und die Finanzströme, gerade aus dem Ausland, werden genauer geprüft. Auch extremistische Symbole – neben islamistischen etwa auch jene von Rechtsradikalen – sollen nun verboten werden.

Kritik der Muslime und der Opposition

Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich hat dennoch Zweifel an der Verfassungsmässigkeit des religionsneutralen Straftatbestands geäussert und sich darüber beklagt, dass sie nicht in die Vorarbeiten einbezogen war. Die Oppositionspartei Neos kritisierte, das gesamte Gesetzespaket sei ein «populistischer Schnellschuss». Eher zurückhaltend äusserten sich die Sozialdemokraten, die sogar lobten, dass das Anti-Terror-Paket gegenüber den zunächst diskutierten Vorschlägen moderat daherkomme.

Sie wollen für ein definitives Urteil aber die fertigen Gesetzestexte und den Bericht der Untersuchungskommission abwarten, welche die Behördenfehler nach dem Terroranschlag untersucht hat. Dieser ist für nächste Woche angekündigt. Im Januar will die Regierung ein weiteres Paket präsentieren. Darin enthalten sein sollen auch einige heikle, vorläufig ausgeklammerte Fragen wie die Reform des lädierten Verfassungsschutzes.