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Syrien unterstützt den Libanon Assads Sauerstoff-Deal

Das Coronavirus grassiert, im eigenen Land mangelt es an allem, aber Syriens Herrscher Baschar al-Assad spendet 75 Tonnen Sauerstoff an den Libanon. Warum?
Syriens Präsident Baschar al-Assad (im September 2020): Angeblich schon geimpft

Syriens Präsident Baschar al-Assad (im September 2020): Angeblich schon geimpft

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Russian Foreign Ministry Press O / imago images/ITAR-TASS

Auf den ersten Blick wirkte der Vorgang noch normal. Dass etwas wohlhabendere Länder in Zeiten der Coronapandemie den etwas ärmeren Staaten mit Hilfsleistungen unter die Arme greifen, ist nicht ungewöhnlich dieser Tage. Am Mittwoch versprach der syrische Gesundheitsminister, dem Not leidenden Libanon in drei Tranchen 75 Tonnen Sauerstoff für die Beatmung von Covid-Patienten unentgeltlich zur Verfügung zu stellen.

Doch normal war so ziemlich nichts in dieser Angelegenheit.

In Syrien, jedenfalls in den zwei Dritteln des Landes unter Herrschaft von Baschar al-Assad, reagierten Menschen mit fassungslosem, wenn auch furchtsam stillen Ärger: »Das macht mich wahnsinnig. Meine Mutter in Aleppo erzählt mir, wie händeringend Patienten überall nach Sauerstoff suchen, und dann erfahren wir, dass tonnenweise ins Ausland gespendet wird«, sagte eine exilierte Ärztin.

Syriens Gesundheitssystem liegt seit Jahren am Boden

Syriens Gesundheitssystem liegt seit Jahren am Boden. Etwa die Hälfte der Krankenhäuser ist im Lauf des Kriegs zerstört worden, zumeist durch Bombenangriffe der syrischen und russischen Luftwaffe. Zwei Drittel des medizinischen Personals sind geflohen, ausgewandert oder tot. Der völlige Absturz des syrischen Pfunds auf fast ein Hundertstel seines Werts von 2011 macht Importe für die meisten unbezahlbar, auch wenn medizinische Artikel von den Sanktionen ausgenommen sind.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat den Behörden in Damaskus 51 Beatmungsgeräte zur Verfügung gestellt, insgesamt sind es nach Angaben des dortigen Gesundheitsministeriums 185 in ihrem Bereich des Landes. Gerade mal ein Bruchteil dessen, was im weit kleineren Nachbarland Jordanien bereitsteht. Zudem hat die Covid-Pandemie Syrien seit Januar abermals mit großer, wiewohl wenig bekannter Wucht getroffen.

Die offiziellen Zahlen von 18.000 Infizierten und 1200 Toten bilden nur einen winzigen Bruchteil der tatsächlichen Opferzahlen ab. Für den Großraum von Damaskus ermittelte die internationale Analystengruppe Syria in Context für vergangenen Herbst, dass weniger als zwei Prozent der mutmaßlichen Covid-Toten erfasst worden seien.

Schwarzmarkt für Sauerstoff

Sauerstoff für die Behandlung schwerer Verläufe ebenso wie Flaschen und andere technische Geräte sind überall schwer zu bekommen und für viele Menschen unerschwinglich. Angehörige von Verstorbenen verkaufen selbst halb aufgebrauchte Sauerstoffflaschen auf dem Schwarzmarkt. Vielfach werde Sauerstoff schwarz bei Facebook oder Telegram gehandelt, so der Arzt Dr. Souham al-Nahhas von Physicians for Human Rights. Wichtigste Bezugsquelle vieler Patienten für Sauerstoff ist: der Libanon.

Und ausgerechnet dorthin sollen nun die 75 Tonnen syrischen Sauerstoffs gehen, so die Ankündigung des syrischen Gesundheitsministers Hasan al-Ghabasch vom Mittwoch.

Nun steckt auch der Libanon in einer desaströsen Krise, politisch wie wirtschaftlich, und Ghabaschs Beiruter Amtskollege, der geschäftsführende Minister Hamad Hassan, bekräftigte den dringenden Bedarf seines Landes: Schlechtes Wetter habe das Anlegen von Schiffen mit Lieferungen aus dem Ausland verhindert. Die libanesischen Sauerstoffvorräte würden nur noch für einen Tag reichen. Syriens Hilfe werde »Tausende von Menschenleben« retten.

Missglückte PR für den Verbündeten

Doch auch dieser Teil der Geschichte war nicht ganz stimmig. Zwar mangele es an vielem im Land, an Sauerstoff aber nicht, meldete sich der Chef der Vereinigung privater Krankenhäuser zu Wort. »Es gibt zwei große Abfüller im Libanon, die den Bedarf weitgehend decken«, so Suleiman Haroun. Von einem lebensbedrohlichen Sauerstoffmangel ist auch in den Krankenhäusern selbst nicht die Rede, während der Schmuggel nach Syrien weiterläuft.

Den Hintergrund dieses irritierenden Hilfsdeals lieferte der libanesische Minister selbst: Im Hisbollah-Sender Manar TV betonte Hamad Hassan, die 75 Tonnen Sauerstoff seien »ein direktes Geschenk von Baschar al-Assad«, dem engsten Verbündeten der libanesischen Hisbollah, die nicht nur Manar TV betreibt, sondern der auch Gesundheitsminister Hassan angehört.

Syriens großzügige Gabe sei »nichts weiter als ein Versuch der Hisbollah, das miserable Image von Assads Regime aufzupolieren«, zitierte »The Arab Weekly« libanesische Politiker. Rechtzeitig vor den fürs Frühjahr angekündigten Wahlen, mit denen sich Assad für weitere sieben Jahre als Herrscher proklamieren lassen möchte.