Barack Obama muss so erleichtert sein wie Baschar al-Assad, der Diktator von Damaskus. Haben doch beide ihren Kopf erst einmal aus der Schlinge ziehen können. Vorläufig. Nach dem russischen Schachzug mit der C-Waffen-Übergabe darf sich Obama den schweren Gang auf den Hügel des Kapitols ersparen. Eine Kriegsentschließung hätte er dort nicht bekommen, jedenfalls nicht im Repräsentantenhaus. Genauso wenig, wie es David Cameron in London geschafft hat. François Hollande muss seine Nationalversammlung nicht fragen, aber die Antwort wäre die gleiche.

Putin steht noch besser da. Ihm geht es nicht um Moral, sondern um nacktes Interesse: Er will seinen Schützling Assad um jeden Preis retten und mit ihm Russlands strategische Position. Dito Iran, der zwar nur im Hintergrund agiert, aber froh ist, dass seine Hilfstruppe in Syrien, die Hisbollah, nicht ins Visier amerikanischer Bomber gerät.

Am glücklichsten muss der Schurke in diesem Drama sein. Assad darf jetzt einen langen, einseitig verkündeten Waffenstillstand genießen. Amerikas Marschflugkörper bleiben im Rohr. Und er blickt auf einen großzügigen Spielraum. Jetzt beginnt das Geschacher um eine UN-Resolution. Hier haben die russischen Freunde signalisiert, dass sie keine strafbewehrte Entschließung wollen, wie sie die Franzosen zirkulieren.

Das Spiel mit den UN-Inspektoren darf jetzt beginnen. Wer beschützt sie in einer Kriegszone, die halb so groß ist wie Deutschland? Wie finden und sichern sie das Teufelszeug, wenn das Regime unter dem diplomatischen Schutzschirm der Russen eine Resolution mit Zähnen nicht fürchten muss

Saddam Hussein hat es vorgemacht. Nachdem der Sicherheitsrat ihm 1991 die Vernichtung aller Massenvernichtungswaffen auferlegt hatte, hat er zwölf Jahre lang ein Katz-und-Maus-Spiel mit den Inspektoren aufgezogen – bis George W. Bush 2003 zur Waffe griff.

Folglich könnte Obama sehr wohl erneut in die Falle tappen, aus der er sich mit dem internationalen Kontrollregime über die syrischen C-Waffen zu befreien gedachte. Entweder er schießt allein oder gar nicht, weil er den Segen des Sicherheitsrates nicht bekommt. 

Eigentlich will er überhaupt nicht zuschlagen, wie seine letzte Rede ahnen lässt. Schließlich habe er "viereinhalb Jahre damit verbracht, Kriege zu beenden, nicht zu beginnen". Er wolle sich, wie er es seit Jahren wiederholt, auf "nation-building hier zu Hause" konzentrieren. Er fügte hinzu: "Amerika ist nicht der Weltpolizist." Und: "Furchtbares geschieht rings um die Welt, und wir haben nicht die Mittel, um alles Unrecht zu beseitigen." So redet kein Präsident, der entschlossen ist, ein Ultimatum zu stellen – Moskaus Blockadetaktik hin oder her – wenn Assad jenes Hütchenspiel inszeniert, das ihn Saddam gelehrt hat.

Aber machen wir uns nichts vor: Alle im Westen sind erleichtert, weil sie in ihren Parlamenten keine Mehrheit für einen Angriff finden. Und bei kühler Betrachtung auch nicht wissen, wie ein begrenzter Luftangriff das Morden am Boden beenden könnte – mit oder ohne C-Waffen. Assad hat einen Aufschub bekommen, der sich womöglich zur Begnadigung ausweitet, weil der Westen keinen Krieg will. Auf jeden Fall bekommt Assad einen russischen Bewährungshelfer, der ihm nicht viel abverlangen wird.