Jahresberichte

#brandeilig-Report No. 1:
Hintergründe zu Moscheeangriffen im Jahr 2018

Moscheegemeinden sind nach einem Übergriff weitestgehend auf sich selbst gestellt, die Aufklärungsquote ist sehr niedrig, Versicherungen zahlen selten und Solidaritätsbekundungen erfahren sie oft nur von anderen muslimischen Gemeinden. Das geht aus einer Studie von #brandeilig hervor, die am 24.05.2022 veröffentlicht wurde. #brandeilig ist eine Initiative des Antidiskriminierungsvereins FAIR international e. V.

Ausgewertet hat #brandeilig insgesamt 120 Moscheeangriffe aus dem Jahr 2018. Zu 68 Moscheeangriffen wurden Telefoninterviews mit Verantwortlichen der betroffenen Moscheegemeinden durchgeführt. In insgesamt acht Fällen handelte es sich um Brandanschläge, 56 Fälle wurden der Kategorie Vandalismus mit Sachbeschädigung zugeordnet. Außerdem kam es im Untersuchungsjahr häufig zu Bedrohungen und Beleidigungen gegenüber den Moscheen und ihren Mitgliedern. Insgesamt führt der Bericht mindestens 20 Fälle auf, in denen die Täter:innen die Verletzung bzw. Tötung von Menschen in Kauf genommen haben. Ferner können laut dem Bericht 45% der Vorfälle dem Phänomenbereich des Rechtsextremismus zugeordnet werden.

Vor diesem Hintergrund erfahren Moscheegemeinden nach einem Übergriff verhältnismäßig wenig Solidarität aus der Lokalpolitik oder Zivilgesellschaft. In fast der Hälfte der 68 Moscheeangriffe erhielten die betroffenen Gemeinden Solidaritätsbekundungen von anderen muslimischen Gemeinden. In 18 Fällen gab es Anteilnahme aus der Nachbarschaft. Im Vergleich dazu bekundeten nach 15 Übergriffen Bürgermeister:innen, nach 10 Übergriffen Lokalpolitiker:innen Solidarität. Vertreter:innen der türkischen Konsulate zeigten in 18 Fällen Anteilnahme und besuchten die Gemeinden persönlich.

„Es ist bezeichnend und ein immer wieder zu beobachtendes Phänomen, dass Lokalpolitiker:innen nach einem Angriff auf eine Moschee kein oder ein nur mäßiges Interesse am Geschehen zeigen. Sie fühlen sich oft alleingelassen. Umgekehrt sind die Gemeinden sehr froh, wenn örtliche Politiker:innen Solidarität bekunden“, stellt Projektmitarbeiterin Meryem Küçükhüseyin fest.

Die Betroffenen werden jedoch nicht nur beim Thema Solidarität allein gelassen. Laut dem Bericht kamen Moscheegemeinden für die Kosten der Schadensbeseitigung nach einem gewaltsamen Angriff überwiegend selbst auf, weil Versicherungen eine Kostenübernahme in den allermeisten Fällen ablehnten. Stattdessen kündigten die Versicherungen nach einer Schadensmeldung den Versicherungsvertrag oder drohten dies im Fall weiterer Übergriffe an. Insgesamt haben die befragten Moscheegemeinden zur Beseitigung des entstandenen Sachschadens rund 211.000 Euro aus Eigenmitteln aufgewendet. „Die Politik steht hier in der Pflicht, die Sachlage ernst zu nehmen und verbindlich Hilfsmaßnahmen zu etablieren, die automatisch greifen, sobald eine Moschee angegriffen wurde. Das würde den oft mit der Situation überforderten Gemeinden sehr helfen“, erklärt Projektmitarbeiter Yusuf Sarı.

Den Kontakt und die darauffolgende Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden bewerteten die befragten Moscheevorsitzenden, von einigen Ausnahmen abgesehen, grundsätzlich als positiv. In der Regel wurden die Ermittlungen schnell aufgenommen, jedoch ohne nennenswerten Erfolg. Während in 58 Fällen keine Tatverdächtigen ermittelt wurden, wurden in nur vier Fällen Anklage erhoben, und in weiteren zwei Fällen kam es zu einer Haftstrafe. „Die niedrige Aufklärungsquote nach Übergriffen auf Moscheegemeinden sind ein seit Langem bekanntes Problem. In einigen Fällen teilten Betroffene mit, dass die Angriffe auf ihre Moscheen von Ermittler:innen eher heruntergespielt wurden, oder sie lediglich im Umfeld der Gemeinden ermittelten“, erklärt Projektmitarbeiterin Şeyma Kuri abschließend.

 

Zum Download:

Brandeilig_Report No.1_Deutsch

Brandeilig_Report No.1_Englisch

Brandeilig_Report No.1_Türkisch

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