Frauen, die mit ihrem Mann und ihren Kindern zum Islamischen Staat (IS) gereist sind, haben sich nicht zwangsläufig als Mitglied einer Terrorvereinigung strafbar gemacht. Das stellte der Bundesgerichtshof (BGH) am Donnerstag anhand zweier Fälle aus München und Berlin klar. Beide Frauen waren als IS-Rückkehrerinnen in Untersuchungshaft gekommen. In dem einen Fall hob der BGH nun den Haftbefehl auf, im anderen verlängerte er ihn. (Az. AK 14/22 u.a.)

Beide Frauen waren vor Jahren freiwillig nach Syrien gegangen und im Oktober 2021 in einer größeren Gruppe von der Bundesregierung aus einem Gefangenenlager zurückgeholt worden. In den Haftbefehlen wurde ihnen jeweils die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland und die Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht vorgeworfen. Wenn die U-Haft länger als sechs Monate dauern soll, ist eine Haftprüfung vorgeschrieben.

Die hier für die Prüfung zuständigen obersten Strafrichterinnen und -richter in Karlsruhe teilten nun mit, dass eine Islamistin nicht automatisch zum IS-Mitglied oder zur IS-Unterstützerin wird, wenn sie ihrem Mann beim IS den Haushalt führt und die Kinder dort großzieht. Das gelte nur, "wenn die in die Organisation eingebundene Täterin deren Aktivitäten auch durch weitere Handlungen fördert".

In dem Berliner Fall war die Beschuldigte mit den Kindern vorausgereist, um ihrem noch zögerlichen Mann auf die Sprünge zu helfen. In Syrien habe sie seine Zweifel an terroristischen Aktivitäten zerstreut, ihre Kinder ideologisch erzogen und noch im Lager über einen Messengerdienst um Spenden für IS-Anhängerinnen geworben. Für den BGH ist die Frau deshalb der IS-Mitgliedschaft dringend verdächtig - das rechtfertigte die Verlängerung der U-Haft.

Bei der zweiten Frau hingegen "erschöpfte sich das Verhalten der Beschuldigten in einem alltäglichen Leben im "Kalifat"", wie es weiter hieß. Sie habe damit wahrscheinlich nur ihre Fürsorge- oder Erziehungspflicht verletzt, was keine U-Haft mehr rechtfertige. Die Freilassung der Frau war schon Ende April bekanntgeworden.

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