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Reaktionen auf Terror-Urteile in Paris »Verwandeln wir nicht einen Jungen in eine radikalisierte Bestie?«

Salah Abdeslam muss wegen der Terroranschläge von Paris 2015 lebenslang ins Gefängnis. Überlebende sehen das Urteil zwiespältig. Die Politik lobt den Prozess. Der Überblick.
Gerichtszeichnung: Das Gesicht von Salah Abdeslam schwebt über dem Prozess

Gerichtszeichnung: Das Gesicht von Salah Abdeslam schwebt über dem Prozess

Foto: Benoit Peyrucq / AFP

130 Menschen starben bei den islamistischen Terroranschlägen von Paris im Jahr 2015. In der vergangenen Nacht wurden 20 Beteiligte und Unterstützer von einem Schwurgericht zu teils lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Der Hauptangeklagte Salah Abdeslam, einziger Überlebender des Terrorkommandos, muss lebenslang ins Gefängnis. Unklar ist bislang, ob die Verurteilten in Berufung gehen werden. Die Reaktionen auf die Strafen fallen jedoch sehr unterschiedlich aus. Der Überblick.

Sophie Bouchard-Stech, deren aus Hannover stammender Mann im Konzertsaal Bataclan getötet worden war, zeigte sich erleichtert: »Die harten Strafen sind die einzige Garantie, dass sie nicht wieder von vorn anfangen«, sagte sie der Nachrichtenagentur AFP. Ihr habe der Prozess sehr geholfen, sagte die Witwe: »Ich habe viele Menschen kennengelernt, mit denen ich meine Erfahrungen teilen konnte.« Mit den anderen Opfern und Angehörigen habe sie sich zeitweise »wie in einer großen Familie« gefühlt.

Sophie Parra, Überlebende des Terrors im Konzertsaal Bataclan, twitterte: »Es ist verdammt noch mal vorbei.«

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Dem Fernsehsender BFM TV  sagte sie, sie sei sehr zufrieden mit dem Urteil. Sie habe den Eindruck, dass der Richter fair gewesen sei. Insbesondere mit der Strafe für Abdeslam sei sie zufrieden: »Zu Prozessbeginn hat er sich über seine Haftbedingungen beschwert, zum Prozessende hat er sich über seine Haftbedingungen beschwert. Er hat während des gesamten Prozesses nur gejammert.«

Der Anwalt von Salah Abdeslam äußerte derweil Unverständnis. Die Höchststrafe für seinen Mandanten sei »ungerecht«, sagte Martin Vettes dem Sender France Inter . »Es erscheint mir ungerecht, dass Salah Abdeslam dieselbe Strafe bekommt wie Oussama Atar.« Atar ist der Drahtzieher der Anschläge, er wurde in Abwesenheit ebenfalls zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Vermutlich ist er bereits tot, er soll in Syrien gestorben sein .

Bruno Poncet, ebenfalls Überlebender aus dem Bataclan, schien angesichts der Höchststrafe für den 32 Jahre alten Abdeslam zwiegespalten. Dem Sender France Info  sagte er: »Verwandeln wir da nicht einen Jungen, der immer noch nicht wirklich weiß, was er ist, in eine radikalisierte Bestie?« Andererseits hätten Freunde, die mit im Bataclan gewesen seien, Angst vor einer Freilassung Abdeslams.

France Info zitierte einen weiteren Bataclan-Überlebenden, der sich sorgt, Abdeslam könne sich mit dem Urteil brüsten. »Salah Abdeslam hat die höchste aller Strafen bekommen, obwohl er nicht das Genie des Bösen ist«, sagte der nur Franck genannte Überlebende: »Ich habe Angst, dass er sich mit dieser Strafe idolisiert oder dass Leute ihn verherrlichen.«

Die Nebenkläger begrüßten die Urteile laut Radio France . Jean Reinhart, Anwalt eines Opferverbandes, nannte die Entscheidungen intelligent. Seine Mandanten blickten mit Genugtuung auf die Urteile. Gérard Chemla, ebenfalls Anwalt von Nebenklägern, begrüßte die Strafen. »Man hat nach dem Urteil das Gefühl, dass eine Seite umgeschlagen wird«, sagte Chemla: »Wir befinden uns an einem für alle zufriedenstellenden Punkt, jedenfalls für die Justiz.«

Auch die Politik positionierte sich zu den Gerichtsentscheidungen. François Hollande, zur Zeit der Anschläge französischer Präsident, schrieb auf Twitter, es sei ein beispielhafter Prozess gewesen. Frankreichs Demokratie habe sich als wehrhaft erwiesen: »Die Schuldigen sind mit den Mitteln des Rechtsstaates verurteilt worden.« Er denke an alle Opfer: »Ihre Wunden bleiben und ihre Trauer wird niemals erlöschen.«

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Die französische Premierministerin Élisabeth Borne sprach auf Twitter von Gerechtigkeit. »Sie wird den Schrecken der Taten, die am 13. November 2015 begangen wurden, nicht auslöschen. Aber sie ist ein starker Schritt für alle Überlebenden, für alle Franzosen.«

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Weiter schrieb Borne: »Der Islamismus ist ein tödliches Gift. Wir werden ihn weiterhin mit all unseren Kräften verfolgen und bekämpfen. Das sind wir den Opfern des 13. November und allen Opfern von Anschlägen schuldig. Wir schulden es der Republik und der Freiheit, wir werden nichts unversucht lassen, um sie zu verteidigen«.

ptz/dpa/AFP