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Oberlandesgericht Acht Jahre Haft wegen Terror-Planungen zu 9/11-Jahrestag

Hamburgs Innensenator nennt sie die „Generation 9/11“: Junge Muslime, in der Zeit rund um die Anschläge vom September 2001 geboren und inzwischen selbst radikalisiert. Einer von ihnen will zum Jahrestag der Anschläge selbst einen verüben - und geht dafür ins Gefängnis.
07.07.2022, 17:33 Uhr
Lesedauer: 3 Min
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Von dpa

Wegen der Planung eines Terroranschlags zum 20. Jahrestag der Anschläge vom 11. September 2001 ist in Hamburg ein 21 Jahre alter Deutsch-Marokkaner zu acht Jahren Gefängnis verurteilt worden. Das Hanseatische Oberlandesgericht sah es am Freitag als erwiesen an, dass der Angeklagte aus „fanatischem Hass auf vermeintlich Ungläubige“ einen Anschlag „mit verheerenden Folgen und einer hohen Anzahl von Toten und Verletzten“ verüben wollte. Zudem wurde er wegen Verstößen gegen das Kriegswaffenkontroll- und das Waffengesetz schuldig gesprochen.

Mit dem Strafmaß ging das Gericht noch über die Forderung der Bundesanwaltschaft hinaus, die sieben Jahre beantragt hatte. Der Verteidiger hatte auf eine Jugendstrafe von maximal drei Jahren plädiert. Gründe für eine Anwendung des Jugendstrafrechts sah die Kammer jedoch nicht. Gegen das Urteil kann binnen einer Woche Revision eingelegt werden.

Die Vorsitzende Richterin Petra Wende-Spors bezeichnete den 21-Jährigen, der keine Reue gezeigt habe, als „tickende Zeitbombe“. Sein Hass sei „verstörend und erschreckend“. Er habe einen „generalstabsmäßig und hoch konspirativ geplanten Anschlag“ begehen wollen. Auch wenn das eigentliche Anschlagsziel nicht habe aufgeklärt werden können und sich der Angeklagte selbst nicht zum Tatvorwurf geäußert habe: „Überführt wurde er durch eine Beweislage, die erdrückend ist“.

Die Richterin lehnte es auch ab, ihn bei der Urteilsbegründung direkt anzusprechen, „da eine Basis dafür, den Angeklagten hier mit Worten zu erreichen, nicht besteht“.

Der Deutsch-Marokkaner war aufgeflogen, als im Sommer vergangenen Jahres im Darknet eine Schusswaffe mit Munition und eine Handgranate kaufen wollte und dabei an einen verdeckten US-Ermittler geriet, der ihn an einen Kollegen vom Bundeskriminalamt weiterleitete. Spezialkräfte nahmen ihn am 26. August 2021 an einem Schnellrestaurant in Hamburg-Stellingen fest.

Zum dem Zeitpunkt habe der Angeklagte bereits die wesentlichen Bestandteile für den Bau einer Bombe zusammengehabt „und alles notwendige in die Wege geleitet“, sagte Wende-Spors. „Letztlich fehlten für die Begehung des Anschlags lediglich ein Zünder und ein Schnellkochtopf als Wirkverstärker.“ Jedoch sei dem Angeklagten bewusst gewesen, dass er sich diese hätte jederzeit im Handel besorgen können.

Bei der Durchsuchung einer von ihm genutzten Wohnung in Hamburg-Jenfeld hatten Ermittler je ein Kilogramm Kaliumnitrat und Schwefel sowie ein halbes Kilo Kohlepulver, außerdem Klingeldraht, Schrauben und Muttern gefunden.

Mit der Schnellkochtopf-Bombe habe sich der 21-Jährige an dem Anschlag auf den Boston-Marathon orientiert, bei dem am 15. April 2013 drei Menschen getötet und 260 verletzt wurden. Wie die 9/11-Attentäter habe er auch die Attentäter von Boston und die Terrororganisation Al-Kaida insgesamt „verehrt“, sagte die Richterin. „Dass er das Datum der Anschläge als Codewort für sein Handy benutzt“, sei lediglich ein „letzter Mosaikstein“ bei der Aufklärung gewesen. Die Handy-PIN des Angeklagten lautete demnach 9112001.

Die Beweisführung habe ergeben, „dass das familiäre Umfeld den Nährboden für den Hass“ gebildet habe. Sein Vater habe ihn nach streng religiösen Grundsätzen erzogen „und schon als Kind mit in die Al-Kuds-Moschee genommen“, in der auch die Angehörigen der Hamburger 9/11-Zelle um den Todespiloten Mohammed Atta verkehrt hatten. Der Vater selbst war ein Verantwortlicher der Moschee. In Chats mit seinem Sohn habe er Gewalt gegen „Ungläubige“ gutgeheißen.

Auch das Internet trug dem Gericht zufolge zur Radikalisierung bei. So habe sich der Angeklagte zahlreiche gewaltverherrlichende Videos angesehen. Laut Anklage hatte er sich auch mit dem Märtyrertod beschäftigt. Kurz vor seiner Verhaftung habe er im Netz eine Fluchtroute recherchiert, so die Richterin.

Geboren wurde der Angeklagte in Hamburg ein halbes Jahr vor den 9/11-Anschlägen unter anderem auf das New Yorker World Trade Center. 2013 war die Familie von Hamburg-Billstedt nach Marokko gezogen, wo der junge Mann sein Abitur machte. Noch bis 2016 war er in Hamburg gemeldet gewesen. Im Herbst 2020 kehrte er dann nach Deutschland zurück und immatrikulierte sich für ein Studienkolleg in Wismar (Mecklenburg-Vorpommern).

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